MENU


Baby-Tagebücher

Hautnah. Intensiv. Liebenswert. Folgt hier den Babytagebuch-Bloger:innen und erlebt regelmäßig, wenn frischgebackene Mütter und Väter ihr Leben mit euch teilen. Jede Woche lassen sie euch an ihrer neuen Lebenszeit mit Baby teilhaben und geben ganz persönliche Einblicke: Was hat der Sprössling diese Woche Tolles gelernt? Wie geht es den jungen Eltern mit dem kleinen Knirps? Welche Herausforderungen begegnen den Neu-Mamas und Neu-Papas mit ihrem Neugeborenen? In den Baby-Tagebüchern seid ihr live dabei, von ersten Arztbesuchen bis zu holprigen Gehversuchen. Ob liebenswert chaotisch oder rührend besinnlich: Immer erhaltet ihr einen unverfälschten, authentischen und persönlichen Einblick in das aufregende Leben einer Jungfamilie.
24. Woche

Rabenmutter

Ein Mann stellt sich bei REWE hinter uns an der Kasse an. Nele schreit. Er konstatiert "Das Kind hat Hunger, warum geben Sie ihm nicht endlich etwas zu essen?"

Hallo, ihr Lieben!

Heute will ich euch gegenüber 'mal ganz offen sein, was meinen Umgang mit unseren Töchtern angeht.

Ich bin eine Rabenmutter!

Ich weiß nicht, was meinen Kindern fehlt bzw. gut tut. Das wissen nur Außenstehende. Trotz des eindeutigen Hinweises in der REWE-Kassenschlange gab ich Nele nicht die Flasche. Ich entfernte einen Krümel, der ihr beim heftigen Wedeln mit der Laugenbrezel ins Auge gefallen war!

Schon bei der Großen erfuhr ich von diversen anderen Müttern, dass ich mich zu wenig an Vorgaben der Babywissenschaft halte. Jetzt mit Zwillingen bekomme ich täglich mindestens ein halbes Dutzend Male - zum Teil von wildfremden Menschen - die Leviten gelesen, weil ich mich an die eine oder andere unumstößliche Erziehungsmaxime nicht halte. Ja, ich bekenne mich dazu: Ich beachte nicht alle mir bekannten Erziehungsregeln und gefährde möglicherweise Gesundheit und Psyche meiner Kinder. Dazu im Folgenden mein detailliertes Geständnis:

1.) Ich habe die Zwillinge entgegen der WHO-Empfehlung nicht die ersten 6 Monate voll gestillt.

Die ersten drei Monate gab es nur Muttermilch, dann habe ich zugefüttert, weil meinen schnell wachsenden Mäusen die von mir produzierte Menge einfach nicht reichte. Das führte heute beim Babyschwimmen zu einem entsetzten Aufschrei einer anderen Mutter "hast du keine Angst vor Allergien und sonstigen Spätfolgen?!"

2.) Ich füttere nicht nur eine Sorte Milchnahrung.

Obwohl in allen Foren, Facebookgruppen und Krabbelkursen alle Mütter darüber streiten, welche Milchnahrung die beste ist, sind sich alle einig, dass man zwischen den Marken nicht wechseln sollte. Ich kaufe, was an Markenware grade im Regal steht, ohne dass ich mit drei unruhigen Kindern erst den ganzen dm abklappere, bis ich jemanden finde, der mir murrend und kompliziert ein Paket der grade 'mal wieder vor Plünderkäufen geschützten Babymilch aus dem Lager kramen kann. In der Schweiz und in Italien bekamen die Kleinen sogar einheimische Produkte in die Flasche.

3.) Bei mir gibt es keine Mahlzeiten nach der Uhr.

Wer Hunger hat, bekommt auch früher etwas, wer satt ist, muss nicht essen. Auch wenn das nach Auffassung einer Freundin dazu führt, dass meine Kinder später eher zu FastFood tendieren als zum Essen am Familientisch.

4.) Eine planvolle Beikosteinführung findet nicht statt.

Mehrere längere Vorträge anderer Mütter am Rande und nach diversen Gruppen habe ich über mich ergehen lassen. Ja, ich weiß, dass am Tag, an dem das Kind vier Monate alt ist, das erste Mal 2-3 Löffelchen Pastinake gefüttert werden müssen, am nächsten und übernächsten Tag auch, dann drei Tage mit Kartoffel gemischt, usw. natürlich nur Bio-Pastinake, selbst gekauft, selbst gekocht und selbst püriert. Ich füttere Nele, die schon Interesse hat, mittags gerne 'mal weiße Karotte, 'mal Pastinake, 'mal Kartoffel + Gemüse, 'mal ein Menü mit Fleisch oder 'mal etwas von meinem Teller (kleingedrückte Kartoffel, Möhre, Nudel, Banane,...), 'mal selbst gekocht, 'mal aus dem Gläschen. Morgens darf sie etwas von meinem Porridge abhaben, den Rest des Tages wann immer uns danach ist und wir dran denken, gibt es Gläschenobst oder sie darf an einem Apfelschnitz, einer Brotkruste oder einem Zwieback lutschen. Sie ist glücklich damit und ihr bekommt alles. Cari ist nicht interessiert, darf also weiter Milch trinken.

5.) Meine Kinder haben schon vor dem zweiten Geburtstag Kontakt zu Süßigkeiten gehabt.

Eigentlich hatte ich mir zumindest dies vorgenommen, scheiterte aber am Vater der Mädels, der alle schon im 2. und 3. Monat erstmals an seinen Lakritzschnecken lutschen ließ.

6.) Ich habe keine Kügelchen in der Handtasche.

Das liegt in erster Linie daran, dass ich nur etwa 2-3 x im Jahr überhaupt eine Handtasche dabei habe. Aber auch sonst habe ich nicht bei jedem Sturz Arnika-Kügelchen parat. Die zahnende Cari kommt auch ohne Kügelchen klar, dafür mit viel Trost plus gekühltem Beißring, meinen Fingern und anderen Dingen, auf denen Sie herumkauen kann. Und in meinem Alter wäre ich ohnehin auf dem Spielplatz zu langsam für den Wettbewerb "wer holt am schnellsten die Kügelchen aus der Wickeltasche", am besten noch während (!) das Kind stürzt, noch bevor es im Sand aufschlägt.

7.) Bei uns muss kein Kind das Schlafen lernen.

Unsere Nachbarin ist der Auffassung, ich müsste die Kinder einfach zu einer festen Zeit hinlegen und so lange schreien lassen, bis sie einschlafen, dann lernen sie, dass ab einer bestimmten Zeit geschlafen werden muss. Ja ja, das Buch habe ich auch gelesen, bin aber nicht sicher, ob ich es im Regal bei "Horror" oder "Thriller" einsortieren soll. Ich gehe ja auch nicht jeden Abend zur exakt selben Zeit schlafen, warum also meine Kinder? Wer noch Durst hat, bekommt etwas zu trinken. Wer eine Geschichte hören will, bekommt vorgelesen. Und wer noch Kuschelbedarf bis 21:15 Uhr hat, wird in den Schlaf gekuschelt!

8.) Meine Kinder mussten nicht liegen, bis sie aus eigenem Antrieb frei sitzen können

Heute morgen beim Babyschwimmen setzte die Trainerin ein Baby kurz auf den Beckenrand, damit es aus eigenem Impuls in die Arme seiner Mutter springen kann. Die Trainerin und alle Teilnehmer(innen) des Kurses erfuhren daraufhin von einer entsetzten anderen Mutter, dass ihre Tochter aber an dieser Übung keinesfalls teilnehmen werde, weil sie ja noch nicht frei sitzen kann. Meine Töchter werden mich später einmal wegen orthopädischer Spätfolgen verklagen können, denn ich habe sie nicht nur diese Übung mitmachen lassen, sondern sie dürfen auch sonst immer 'mal wieder für ein paar Minuten sitzen, wenn sie mir signalisieren, dass ihnen das Liegen zu fade ist. Um ihre Chancen vor Gericht später zu erleichtern, liefere ich gleich ein Beweisfoto mit, auf dem die beiden beim Frühstück in unserem letzten Hotel in Italien zu sehen sind. Auf dem Rücken liegend schrien beide, weil sie etwas sehen wollten. Wir setzten sie hin und nach wenigen Minuten schliefen beide glückselig.

Ihr Lieben, ich könnte diese Liste noch bis zum Punkt 352.) fortsetzen. Die Themen sind ja unerschöpflich: von Impfen und Bauchlage über Reboarder und Familienbett bis hin zu Schnuller, BLW und Schlafzimmertemperatur. Ich wollte nur in einer für uns eher ereignislosen Woche einmal zum Besten geben, was mir an Erziehungsfehlern allein in den letzten drei Tagen vorgeworfen wurde. Meiner ganz persönlichen Meinung nach helfen Humor, Gelassenheit und Intuition oft viel weiter als das sture Vorgehen nach Entwicklungskalendern und sonstigen Ratgebern. Darüber habe ich mir beim ersten Kind viel zu oft Gedanken gemacht, geholfen haben die Lehrbücher und gut gemeinten Erziehungstipps außenstehender Personen meist gar nicht.

In diesem Sinne wünsche ich euch eine gelassene letzte Oktoberwoche.

Eure Ingrid

Bild: privat



Kommentar zu diesem Beitrag schreiben:

Zeichen frei



Kommentare von Lesern:

Ingrid, Hürth02.11.2015 09:45

Ihr Lieben,
ich bin überwältigt von euren vielen Kommentaren. Ganz lieben Dank. Auf das eine oder andere Thema werde ich in den nächsten Tagebucheinträgen noch einmal eingehen.

@Elisabeth, München: Vom Reiseführerschreiben kann man nicht leben, das ist ein Hobby mit gewissem Ausgleich der Aufwendungen. Details würde ich in der Tat lieber per Mail oder Telefon erzählen, das sprengt hier den Rahmen. Dir sollte es nicht schwer fallen, mich mit vollem Namen im Netz zu finden und anzuschreiben, dann antworte ich brav auf alle deine Fragen.

Unmöglicher Beitrag?       Bitte melden.


Elisabeth, München01.11.2015 21:35

Hallo Ingrid,
ich wollte dich schon seit langem was ganz anderes fragen. Du hast mal, ich glaube noch im Schwangerschaftstagebuch, kurz erwähnt, dass du nicht mehr in deinem erlernetem Beruf- als Juristin arbeitest. Wie kam es eigentlich dazu? Juristen werden ja eigentlich immer und überall gebraucht?? Hast du zuerst diesen Beruf auf den Nagel gehängt und erst dann die echte Berufung(?) im Schreiben von Reiseführer entdeckt oder war es umgekehrt? Es interessiert mich, weil ich mich selber (40, IT-Support) seit geraumer Zeit mit solchen Gedanken befasse. Wenn das dir an der Stelle zu privat bzw. zu öffentlich ist, dann habe ich natürlich vollstes Verständnis, dass du darauf nicht eingehen möchtest.

Unmöglicher Beitrag?       Bitte melden.


Gabriela, Berlin28.10.2015 14:55

Liebe Ingrid,
willst Du das nicht noch mal irgendwo anders veröffentlichen? Das ist so ein schöner Text. Gerade, wenn man noch jung ist, kann einen alles, was "man" so machen soll und nicht ja echt irre machen beim ersten Kind. Hätte mein Mann nicht schon große Kinder gehabt, als unser SOhn geboren wurde, ich hätte bestimmt irgendwann mal überlegt, irgendwo runter zu springen bei all den Ratschlägen... Mein Kind hat sich monatelang geweigert zu essen, auch nach den 6 Monaten. War das ein Stress mit den karotten!
Kügelchen hatte ich noch nie, ich habe ein sehr gespaltenes Verhältnis zur Homöopathie - aber "Was? Du gibst ihm keine Arnika-Kügelchen? Das würde ihm so helfen!"...
Da hätte ich auch noch ein paar hundert Punkte, die ich aufzählen könnte.

Unmöglicher Beitrag?       Bitte melden.


Juliane,Götingen28.10.2015 10:30

Oh ja,das kenne ich nur zu gut:)) bei mir gibts auch keine Kügelchen, Breikost wurde teilweise nur ausgespuckt,aber die Stückchén Karotte,Kartoffeln etc wurden geliebt.
Und bei uns gabs auch die Bauchlage,mein Kind mit heftigen Blähungen und viel Geschrei wurde sofort still als es vom Rücken auf den Bauch gedreht wurde.

Unmöglicher Beitrag?       Bitte melden.


Doris Regensburg 28.10.2015 07:48

Ich schmeiß mich weg. Echt authentisch geschrieben. Mach weiter so.

Unmöglicher Beitrag?       Bitte melden.


Anni, Jüchen 27.10.2015 09:31

Mein Schmunzeln kann und will ich mir nicht verkneifen, liebe Ingrid ... jaja , diese obertollen Supermütter ... es nervt mich an dieses Getue und auch wir handeln mit 4 Kindern immer aus reinem Überlebenswillen einfach nach Bauchgefühl - etwas was die Biopastinakenmuttis oft gar nicht mehr haben. Gesunde Ernährung ist ein Muss - nur bitte nicht stoisch und wenns in Stress ausartet. Wenn wir beide Freitags 10 Stunden gearbeitet haben und keiner Lust hat einzukaufen oder zu kochen ... so what ... gibts halt was vom Dönermann ... vorm Fernseher zu nem Kinderfilm. Die Kinder lieben es und wir können kuschelnd auf der Couch entspannen ... wenn wir ganz faul sind, dürfen sie sogar solange da liegen bleiben bis sie eingeschlafen sind und nur noch ins Bett getragen werden müssen :-) ... Am nächsten Tag gibts dann halt wieder die Geschichte ... Macht euer Ding ... LG Anni

Unmöglicher Beitrag?       Bitte melden.


Iris27.10.2015 08:04

HI,

ich lach mich weg.

Das sind dann meist die Mütter, deren Kinder weder Bitte noch Danke sagen können/müssen.

Mach weiter wie du meinst.

LG Iris

Unmöglicher Beitrag?       Bitte melden.


Gast26.10.2015 20:15

Hallo Ingrid, ich bin selbst Kinderärztin und muss diese Bandbreite jeden Tag beruflich "aushalten". Ist nicht wirklich schwer für mich, solange es den Kindern gut geht. I.d.R. sind die von Intuition geleiteten Mütter die Entspannteren und haben wiederum die entspannteren Kinder. Ich selbst habe mittlerweile auch drei Kinder und ich wehre mich privat bei gutgemeinten Meinungen und ungebetenen Ratschlägen folgendermassen: Das ist jetzt mein drittes Kind und etwas Erfahrung dürfte ich wohl im Umgang mit Kindern gesammelt haben. Das Berufliche lasse ich in diesem Zusammenhang meist weg. Meistens ist nach diesem Satz Ruhe.
Das Schlimme an Elternmeinungen ist: Wenn der andere Part es nicht exakt nach eigenen Vorstellungen macht, wertet man meist die Erziehung, die Ernährung, die Einschlafrituale etc. des Gegenüber ab, aber jede Familie ist einzigartig und hat ihren eigenen Stil, der auch durchaus von den Kindern mitgestaltet wird.
Dieser Blog spricht mir wirklich aus der Seele!!! Mach weiter so!!!

Unmöglicher Beitrag?       Bitte melden.


Yvonne, Berlin26.10.2015 19:25

Ha, ha, ein wirklich sehr lustiger Blogeintrag :-)! Du solltest ein Buch schreiben!

Unmöglicher Beitrag?       Bitte melden.


Berlin26.10.2015 18:48

Danke!!! Ich bin auch eine ebenso schreckliche Rabenmutter wie du.

Unmöglicher Beitrag?       Bitte melden.


Sabrina, Neuss26.10.2015 18:32

Ingrid, du sprichst mir aus der Seele! In allen aufgeführten Punkten. Herrlich! Danke dafür!

Unmöglicher Beitrag?       Bitte melden.


Anna26.10.2015 17:51

Ich finde es einfach herrlich wie du schreibst! Ich kann dir voll nach empfinden! Gerade was das "schlafen lernen" angeht!
Ich lass mich auch von meiner Intuition leiten!

Immer weiter so und viel Spaß mit deinen mädels!
Lg Anna und die duracell (die im Moment ihr Nachmittags Schläfchen macht) ;D

PS: eine Bekannte hätte jetzt gesagt ich soll sie weiter wach halten und dann ins Bett nach dem Abendbrot!
Aber das machen wir nicht, dann wird nach dem Schläfchen gegessen und dann geht es halt erst um halb 10 ins Bett na und ! Meine Tochter ist zufrieden und unsere Nerven geschont!

Unmöglicher Beitrag?       Bitte melden.


Einträge der letzten Wochen:

Alle anzeigen
Alle beendete Baby-Tagebücher anzeigen

Aus der 24. Woche schrieben in anderen Tagebüchern:

In allen Baby-Tagebüchern suchen:

nach Stichwort:

nach Babywoche:


Kurse, Termine & Adressen


In diesem Beitrag geht's um:

Beikost, Ratschläge, Schlafen