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Baby-Tagebücher

Hautnah. Intensiv. Liebenswert. Folgt hier den Babytagebuch-Bloger:innen und erlebt regelmäßig, wenn frischgebackene Mütter und Väter ihr Leben mit euch teilen. Jede Woche lassen sie euch an ihrer neuen Lebenszeit mit Baby teilhaben und geben ganz persönliche Einblicke: Was hat der Sprössling diese Woche Tolles gelernt? Wie geht es den jungen Eltern mit dem kleinen Knirps? Welche Herausforderungen begegnen den Neu-Mamas und Neu-Papas mit ihrem Neugeborenen? In den Baby-Tagebüchern seid ihr live dabei, von ersten Arztbesuchen bis zu holprigen Gehversuchen. Ob liebenswert chaotisch oder rührend besinnlich: Immer erhaltet ihr einen unverfälschten, authentischen und persönlichen Einblick in das aufregende Leben einer Jungfamilie.
36. Woche

Baum!

Wir sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht und dann ist Weihnachten.

Genau eine Stunde ist für die Baumbeschaffung vorgesehen. Die letzten Tage vor Weihnachten haben wir in Listen gepresst. Play Date, Einkauf, Geschenke verpacken, Deko, alles ist bedacht und hat einen Platz. So auch der Weihnachtsbaum, den wir für die Familie in unserem Wohnzimmer aufstellen werden. Seit Wochen stehen die Bäume in den kleinen Ferchen an der U-Bahn, auf dem Weihnachtsmarkt, beim Baumarkt, und um die kleine Kirche herum. Mitten in Hamburg sollte das also ein Kinderspiel sein.

Es regnet und stürmt. Der Fischmarkt und die Speicherstadt stehen seit Tagen unter Wasser. Aber es nützt nichts. Wir müssen jetzt los, denn später am Tag warten andere Termine. Jeppe ist müde und schläft in den fünf Minuten im Auto ein. Eine mies gelaunte Frau schimpft, als ich auf den Parkplatz des Heimwerker-Paradises abbiege. Sie hat ihre Kapuze tief ins Gesicht gezogen, und uns nicht gesehen. Selber schuld, denke ich ganz unweihnachtlich, und Tim nimmt Jeppe in die Babytrage. Patschnass betreten wir den Ort unserer Begierde. Aber weit und breit kein Baum in Sicht. Wir laufen einmal im Kreis. Immer noch nichts. Verwirrt bleiben wir vor einer Mitarbeiterin an der Rezeption stehen. „Weihnachtsbäume? Wenn sie Glück haben stehen draußen noch welche“, sagt sie. Tim und ich sehen uns panisch an. Draußen vor dem Eingang? Da waren keine Bäume. Wir eilen durch den Ausgang zurück in den Regen. Tatsächlich liegen in einer schmuddeligen Ecke noch ein paar traurige Bäumchen. Alle klein, manchen fehlen Äste, an anderen wurde bereits herumgesägt. Ein trauriger Anblick. Jeppe kommt zurück ins Auto, wir brainstormen und sortieren unsere Möglichkeiten. Ich telefoniere, versuche den Anschlusstermin zu koordinieren und auf eine eventuelle Verspätung unsererseits vorzubereiten.

Einen Baum zu kaufen, um ihn einige Wochen später zu entsorgen, finde ich ja generell absurd. Aber irgendwie soll es in diesem Jahr so sein. Und so beginnt die wilde Suche, denn in etwa einer Stunde müssen wir wieder zuhause sein.

Gleich um die Ecke befindet sich ein Baumarkt. Hier lachen uns die Mitarbeiter aus. Drei Tage vor Weihnachten? Da sind doch natürlich alle Weihnachtsbäume ausverkauft! Baby in die Trage, Baby ins Auto, dazu eine weitere Portion eiskalter Regen. Das läuft ja bei uns. Ich tippe in mein Handy. „Hier auch kein Baum. Müssen woanders hin. Melde mich wieder“, schreibe ich. Tim googelt, ich denke. Jeppe weint, will schlafen, mir läuft Regenwasser aus den Haaren über mein Gesicht.

Hektisch suche ich nach lieferbaren Bäumen. Natürlich gibt es sowas. Aber wie teuer sind die denn bitte? Keine Option, befinde ich und fahre los, ohne genau zu wissen wohin. Tim schlägt eine Baum-Bude vor, an die ich noch nicht gedacht habe. Ich fahre Richtung des Stadtteils, in dem sich vielleicht noch verfügbare Tannen finden lassen. Stau! Die sechsspurige Straße ist komplett dicht. Das Navi zeigt eine halbe Stunde Verzögerung auf der Strecke an. Tim schreibt an unseren Anschlusstermin. „Stehen im Stau, kommen nicht zum Baum-Mann.“ Es ist absurd. Hektisch gehe ich im Kopf unsere Möglichkeiten durch. Nicht alle sind mit dem Auto gut erreichbar. Dieser Stau macht uns einen riesigen Strich durch die Rechnung. Genervt fahre ich in die entgegengesetzte Richtung. In der Nähe gibt es einen Wald. Im Wald gibt es Bäume. Here we go!

Tim googelt den Weg zur Försterei. Jeppe ist endlich eingeschlafen. Es regnet so stark, dass ich trotz der am Limit arbeitenden Scheibenwischer kaum etwas sehe. Es ist mitten am Tag, zugleich aber stockdunkel. Der schale Waldweg ist super matschig und noch dunkler. Hoffentlich haben wir hier Glück. Auf dem Parkplatz wuchtet gerade ein anderer Familienvater seinen tropfnassen Baum aufs Autodach. Er steht in einer tiefen Pfütze mit brackigem Wasser und kämpft mit dem Nadelgewächs. Das will ich auch!

Tim weckt Jeppe, denn der muss leider mit. Mit unserem gänzlich ungeeigneten Schuhwerk und bereits nassen Jacken laufen wir in den Wald hinein. Die Hütte der Revierförsterei ist bereits zu sehen, der Hof zur Hälfte überschwemmt. Eine Mutter mit zwei kleinen Mädchen macht ein Sieger-Selfie. Auch sie hatte offenbar ein Baum-Problem und hält nun erleichtert und stolz die Tanne in der einen und das Handy in der anderen Hand. Ich knipse das als Beweismittel benötigte Baum-Bild für sie und spüre selbst tiefe Erleichterung. Hier gibt es noch, was wir anderenorts kaum noch zu hoffen gewagt hatten.

In dichten Reihen stehen die Fichten, Tannen und Kiefern. Alle sehen perfekt aus. Ein Traum von einem Baum. Tim zieht den ersten hervor und begutachtet ihn. Er ist wunderschön. Es bleibt der einzige, den wir uns an diesem Tag anschauen. Dieser Baum ist unser Baum! Der Forstmitarbeiter hilft uns und zwängt unsere Tanne durch die Tonne mit dem Netz. Frisch umwickelt tragen wir unsere Beute zum Auto und fühlen uns wie Helden.

Ich erinnere mich an den Familienvater in der Pfütze und Mutter mit den zwei Kindern. Sie hatten diesen besonderen Ausdruck in ihren Gesichtern. Freude auf Weihnachten, Stolz nach der Baum-Challenge, Siegerlächeln trotz Sturm – I feel you, denke ich.

Hier sind die Bäume ökologisch und nachhaltig produziert, schadstofffrei und bis zu ihrer Fällung immerhin glücklich gewachsen. Irgendwie besser als so ein Billigbaum, den wir anfangs der Einfachheit halber ins Auge gefasst hatten. Mein schlechtes Gewissen bezüglich der Ökobilanz ist beruhigt. Wälder müssen gepflegt werden, Bäume dürfen nicht zu eng wachsen, die Försterei muss Fichten, Tannen und Kiefern aus dem Bestand entnehmen, um dem Wald ein gesundes Wachstum zu ermöglichen. Alles ok also? Zumindest an dieser Stelle. Die Bilanz importierter Bäume oder extra fürs Fest gezüchteter Exemplare ist deutlich schlechter.

Was wir unseren Kindern hier beibringen – ich bin mir noch nicht so sicher. Schließlich soll unser Handeln sie später anleiten, ihnen ein Vorbild sein, und dies Beinhaltet korrektes Verhalten in vielerlei Hinsicht. Die Kerzen am Baum brennen. Es sind echte Kerzen aus Wachs. Ich kenne es seit meiner eigenen Kindheit nicht anders und möchte auch das weitergeben. Dicht unter den Nadeln verbirgt sich auch ein bisschen elektrisches Licht, aber die Kerzen dominieren die Szene.

Unser Baum steht mitten im Wohnzimmer, alle Geschenke liegen darunter verteilt - der Weihnachtsmann war da. Kerzen flackern, weihnachtliche Klänge, Räuchermännchenduft, Tannengeruch, Gläserklirren, lachende Stimmen: Fröhliche Weihnachten!



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In diesem Beitrag geht's um:

Baum, Weihnachten, Weihnachtsbaum, Tanne, Wald, Ökobilanz