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Baby-Tagebücher von Marisa

Hautnah. Intensiv. Liebenswert. Folgt hier den Babytagebuch-Bloger:innen und erlebt regelmäßig, wenn frischgebackene Mütter und Väter ihr Leben mit euch teilen. Jede Woche lassen sie euch an ihrer neuen Lebenszeit mit Baby teilhaben und geben ganz persönliche Einblicke: Was hat der Sprössling diese Woche Tolles gelernt? Wie geht es den jungen Eltern mit dem kleinen Knirps? Welche Herausforderungen begegnen den Neu-Mamas und Neu-Papas mit ihrem Neugeborenen? In den Baby-Tagebüchern seid ihr live dabei, von ersten Arztbesuchen bis zu holprigen Gehversuchen. Ob liebenswert chaotisch oder rührend besinnlich: Immer erhaltet ihr einen unverfälschten, authentischen und persönlichen Einblick in das aufregende Leben einer Jungfamilie.

23. Woche

Lila und andere Farben

Das Regime einer Zweijährigen und unser Experiment des Nachgebens.

„Mama mit duschen?“, fragt meine zweijährige Tochter. Fünf Minuten später sitzen wir beide mit den Gummitieren in der Badewanne. Baby Jeppe wird hinein gereicht und quietscht vergnügt, während er mit seinen kleinen Speckbeinchen im Wasser planscht. „ Smilla macht das allein!“, ruft unsere Zweijährige kurze Zeit später. Alleine einseifen, abduschen, abtrocknen. „Geht ja gar nicht!“, ruft sie empört, als sie wenig später versucht den Bademantel alleine zuzuknoten – „Mama helfen!“

Baby Jeppe hat bereits seinen Schlafanzug an und wird von Schwester Smilla gekuschelt. Das ist zuckersüß. „Mama auch kuscheln?“, fragt Smilla. Auch das ist zuckersüß. Tim kommt und will übernehmen. „Papa weg!“, ruft Smilla. Das ist jetzt nicht mehr so zuckersüß.

Und genauso läuft es gerade. Kleinkind Smilla lebt ihre Autonomiephase. Mama soll alles machen, Papa nur, wenn Smilla das will. Unser Kita-Team und Erziehungsexperten im Freundeskreis raten: Ruhig bleiben, Wünsche respektieren und wenn möglich umsetzen. Mir fällt das mitunter ungeheuer schwer, denn manche Situationen sind einfach bizarr.

Es ist mitten in der Nacht. Ich traue mich nicht auf die Leuchtziffern des Tageslichtweckers zu schauen, die in der Dunkelheit sicher auszumachen wären. Hoffentlich ist noch genug von der Nacht übrig, denke ich müde. Der Grund für mein Erwachen ist nicht, wie zu vermuten, das Baby. Smilla sitzt weinend in ihrem Teil des Familienbetts, hat ihren Teddy an die Brust gedrückt und ruft nach Mama. Ich, unheimlich darum bemüht zu verhindern, dass alle anderen auch noch aufwachen, gehe auf Problemsuche. Durst? Pipi? Schlecht geträumt? Aua? Nach einer Weile beschleicht mich der Verdacht, dass Smilla selbst überhaupt nicht weiß, wieso sie gerade so unglücklich ist. Sie wählt Wasser. Ich bringe das gewünscht und werde angeschrien. Falsche Becherfarbe. „Lila Becher!“, sagt sie wütend und das Weinen geht in ein stetig anschwellendes Heulen über. Mein Fehler, wie dumm von mir! Natürlich soll es lila sein. Ich gehe los, hole den lilafarbenen Becher. Erneutes Gebrüll. „Ich will Sprudelwasser!“ Na sowas. Wieder mein Fehler. Wie konnte ich auch nur annehmen, mitten in der Nacht sei es in Ordnung, wenn ich einfach den Hahn aufdrehe. Ich suche eine der Flaschen für den Wassersprudler, die überall in der Wohnung verteilt stehen und sprudele. Smilla trinkt und nickt hoheitsvoll. In ihren Augen glitzern noch Tränen, aber der Durst ist nun abgehakt. Leider sind inzwischen auch Tim und Jeppe aufgewacht.

Tim sucht schlaftrunken nach dem Schnuller. Jeppe spuckt ihn wieder aus. Wenn man schon wach ist, könnte man ja auch was trinken, denk sich unser Baby. Ich stille. Smilla heult erneut. Mit dem Papa will sie nicht kuscheln, die Mama soll es sein. Also nehme ich in jeden Arm ein Kind und schlafe ermattet ein.

„Mama Kita alleine?“, fragt Smilla am Morgen. „Klar!“, antworte ich und bin froh, dass dieses Arrangement dank Tims Homeoffice-Tätigkeit möglich ist. Wenn es geht, fahren wir alleine. Smilla braucht Mama. Mama hat heute Morgen auch schon angekleidet, war mit im Badezimmer, hat gewaschen, die Zähne nach- und den Popo abgeputzt, hat das Pixie-Buch vorgelesen, die anderen Socken gesucht – auch hier war es die falsche Farbe – und versucht allem mit Großmut und Fröhlichkeit zu begegnen. Papa darf immerhin das Frühstück machen und Jeppe anziehen. Wenigstens das!

Und tatsächlich. Mit der Zeit verändert sich etwas. Papa ist wieder im Spiel. Sonntagmorgens gehen Smilla und Papa gemeinsam zum Sport. Das war schon immer so. Dann war es eine Zeit lang ein ziemlicher Kampf. Jetzt ist es wieder entspannt und alle freuen sich darauf. Papa darf mit aufs Klo, Papa darf die Schuhe anziehen, vorlesen und umhertragen. Papa darf das neue Bobbycar zusammenbauen und mit zur Probefahrt, darf den Platz in der Garage mit aussuchen und sogar Probesitzen. Es gibt Tage und Stimmungen, da ist es beinahe wie vorher. Dann gibt es wieder eine Mama-muss-alles-Zeit.

Am Morgen vor der Kita treffe ich Carli-Mom und Elli-Mom. Beide berichten ähnlichen Wahnsinn aus dem Leben ihrer Töchter. „Ich habe sie neulich Nacht böse angeschrien“, sagt Carli-Mom. „Bei uns muss es auch die Mama sein und die Große kann schon richtig diskutieren“, berichtet Elli-Mom. Ich fühle mich sofort besser. Zugleich fröstelt es mich ein wenig. Leichter wird es nicht. Demnächst wird auch Smilla anfangen zu verhandeln, sprachlich geschickter werden und ihre Möglichkeiten besser erkennen. Dann ist Jeppe vermutlich so weit, dass er wegen der Farbe eines Bechers ausflippt.

Im Alltag geben wir also weiter nach. Bei Banalitäten handeln wir wunschgemäß, im Ernstfall entscheiden wir. Smilla bleibt stehen, wenn wir im dichten Hamburger Stadtverkehr umgehenden Handlungsbedarf sehen. Sie achtet auf vorbeiflitzende Fahrräder und weicht aus. Sie steht auf Arbeitshöhe vor dem Herd und weiß, dass sie nichts anfassen soll. Sie weiß, dass sie vom hohen Klettergerüst nur mit Hilfe hüpfen kann. Sie versteht, dass anschauen und anfassen ein großer Unterschied ist. Sie weiß, dass manche Spielzeuge anderen Kindern gehören und diese entscheiden, wer damit spielen darf und wer nicht. Sie sagt Stopp, wenn sie etwas nicht möchte und erkennt somit ihre eigene Grenze. Ich bin so stolz!

Meine Grenze, deine Grenze, seine Grenze – das ist unser Thema, und es wird uns sicher noch eine Weile beschäftigen. Zwischendurch möchte ich schreien und habe keine Lust nachts nach lila Bechern zu suchen. Aber wenn in der Summe alle zufrieden sind, das Kleinkind Selbstwirksamkeit erfährt, das Baby seine große Schwester voller Liebe anstrahlt und wir als Familie genügend Zusammenhalt und zugleich genügend Freiräume schaffen, dann brauchen wir einfach noch mehr lilafarbene Becher!

Tagebuch Marisa



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Kommentare von Lesern:

Barbara / kidsgo26.09.2023 10:21

Liebe Marisa,

wie schön Du schreibst. Und wie gut es ist, dass alles so reflektert zu betrachten. Ich wünsche Euch jede Menge lila Becher und noch mehr gute Nerven und tollen Zusammenhalt. Ihr macht das schon echt super.
Herzliche Grüße aus Göttingen von uns kidsgo´lern

Barbara

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In diesem Beitrag geht's um:

Autonomiephase, Selbstwirksamkeit, Grenze, Nachgeben, Wunsch, Bobbycar, BIG