Von schönen Abenden und unschönen Bahnfahrten...
Mittlerweile bin ich wieder ganz gesund und am Freitag hatte ich sogar meinen ersten freien Tag seit über drei Wochen. Allerdings hatte meine Große schon um 11.30 Schulschluss, so dass der freie Tag mehr oder weniger nur zwei freie Stunden waren. Als Hebamme hat man ja recht ungeregelte Arbeitszeiten und natürlich muss ich nicht am Wochenende zehn Hausbesuche machen, aber auch ein oder zwei Hausbesuche am Tag hinterlassen eben nicht das gleiche Gefühl eines komplett freien Tages oder gar ein ganzen freien Wochenendes.
Selbst wenn keine geplanten Termine anstehen, kann sich natürlich auch jederzeit eine Schwangere oder eine Wöchnerin mit einem Problem melden. Ich merke einfach, dass ich mich schwanger da ein bisschen weniger belastbar fühle und einfach öfter gerne mal einen terminfreien Tag hätte. Aber mit zunehmender Schwangerschaft werde ich mein Arbeitspensum etwas runterfahren, zumal ich mich ja auch sonst mit zwei Kindern zu Hause nicht gerade langweile. Um nichts in der Welt möchte ich meine beiden Mädchen missen, aber manchmal denke ich sehnsüchtig an die schöne, erste Schwangerschaft zurück. Damals konnte ich trotz Job doch mehr Auszeiten einbauen und mich einfach mal ins Schwangersein hineinfallen lassen.
Soviel ungeteilte Aufmerksamkeit von seinem Partner bekommt man auch nie wieder wie vor der Geburt des ersten Kindes. Wo mein Mann mir früher den Rücken massiert hat, freue ich mich heute, wenn er mit den Kindern bei minus fünf Grad auf den Spielplatz geht und ich drinnen bleiben darf. Immerhin war diese Woche unsere wundervolle Babysitterin da und wir haben uns einen sehr schönen Abend in einem unserer Lieblingsrestaurants gegönnt.
Am großartigen Wein konnte ich leider nur riechen, aber auch diese Zeiten kommen ja wieder. Ganz schwangerenfreundlich haben wir unseren Paarabend auch schon um 19 Uhr gestartet, damit ich nicht um 22 Uhr gähnend neben meinem Mann sitze, auch wenn der das nach zwei Schwangerschaften mittlerweile richtig einzuschätzen wüsste. Es ist einfach schön, mal in Ruhe Zeit miteinander zu haben. Wir sprechen zwar auch im Alltag viel miteinander, aber meist geht ein Großteil der Zeit einfach für Organisationsfragen drauf oder die Kleinen unterbrechen jedes Gespräch, weil sie ganz dringend etwas ganz furchtbar Wichtiges loswerden müssen. Je älter die Kinder werden und umso größer ihr Sprachschatz wird, umso mehr ist das so. Darum ist es wohl ganz gut für uns Eltern, dass der Nachwuchs nicht gleich sprechend auf die Welt kommt.
Ich erwische mich in dieser Schwangerschaft doch immer wieder, jetzt schon wissen zu wollen, ob wir ein Mädchen oder einen Jungen bekommen und habe darum das Thema auch mal kurz bei meinem Mann angesprochen. Er meinte nur, dass er es blöd fände, da wir es uns schließlich bei den anderen beiden auch nicht haben sagen lassen. Und eigentlich finde ich es genau darum auch blöd, aber trotzdem bin ich sooo furchtbar neugierig. Aber auf der anderen Seite fallen mir dann immer Beispiele aus meinem Arbeitsalltag ein, in der die Geschlechterprognose am Ende nicht stimmte und das für die Eltern auch schwer zu verdauen war. Ab dem Moment, wo mir jemand sagt, ich bekomme x oder y, würde ich mich wohl auch gedanklich noch mal mehr darauf einstellen. Eine Hebammenfreundin von mir hat neulich eine Frau betreut, die unerwartet einen Jungen statt der im Ultraschall prognostizierten Tochter bekommen hat. Für diese Frau war es extrem schwierig, da sie aufgrund eines sekundären Kaiserschnittes ihr Baby auch nur kurz direkt nach der Geburt gesehen hat, eine Bindung zu ihrem Kind aufzubauen. Sie sagte meiner Freundin, dass sie noch immer das Gefühl hat, nach ihrer Tochter zu suchen, auf die sie sich viele Schwangerschaftswochen eingestellt hat.
In den meisten Fällen stimmt sicher die Geschlechtsangabe, aber soo selten kommen diese geschilderten Fälle wiederum auch nicht vor. Was ich recht häufig erlebe, ist ein Wechsel von Junge zu Mädchen im Laufe der Schwangerschaft. Auch diese Situation ist nicht immer ganz einfach für die Eltern. Manche Kinder, vor allem die Jungs, zeigen sich ja auch bereitwillig und zuverlässig, aber was wenn nicht? Ich glaube, ich zügele meine Neugier noch bis zur Geburt und kaufe weiter Sachen in Beige- und Grautönen...
Wie sind da eure Erfahrungen? Die Mehrheit der Eltern weiß ja heutzutage heute doch vorher Bescheid. Meine beiden Töchter antworten übrigens immer ganz diplomatisch, wenn sie gefragt werden, ob sie noch ein Schwesterchen oder ein Brüderchen bekommen: „Wir bekommen eine Überraschung.“
Frauen geht es ja in der Regel immer besser, wenn sie ihren Alltagsärger jemandem mitteilen können. Darum nutze ich die Gelegenheit, Euch von meinem unschönen Highlight der letzten Woche zu erzählen. Am Freitag habe ich mal wieder eine äußerst unangenehme Begegnung mit dem Berliner Nahverkehr gemacht. Ich bin mit meinen Töchtern mittags nach Berlin-Mitte gefahren, wo mein Mann sein Büro hat. Da er an dem Tag Geburtstag und die Große ihren letzten Schultag hatte, sind wir mittags zusammen schön essen gegangen. Nach Mitte kann man zwar mit dem Auto fahren, aber die Parkplatzsuche ist meist vergeblich. So haben wir die Tram genommen. Für die Kleine hatte ich den Buggy dabei. Auf der Rückfahrt stand ein weiterer Kinderwagen im Ausstiegsbereich, der den Weg versperrte und gegenüber ein Mann am Fahrkartenautomaten. Wir bewegten uns rechtzeitig vor unserer Haltestelle Richtung Tür und baten den Kleingeld suchenden Mann zur Seite. Dieser Vollidiot (sorry, ab hier beginnt der Teil, wo ich nicht mehr sachlich bleiben kann) meinte aber, zuerst sein Fahrkartenproblem weiter lösen zu müssen - trotz meines mittlerweile energischen erneuten Einwurfs, wir müssten jetzt aber aussteigen.
Ich versuchte mich also irgendwie mit beiden Kindern und Buggy durchzuquetschen, aber als wir die Tür halbwegs erreicht hatten, schloss sich diese wieder - und zwar endgültig. Ich durfte also mit zwei Kindern bei minus vier Grad eine ganze Station zurück laufen. Die Zeit, die wir verlängert in der Bahn verbringen mussten, habe ich genutzt, um dem Typen ausgiebig meine Meinung dazu kundzutun. So bescheuerte Situationen hat man ja in der Großstadt des Öfteren. Aber ich merke wirklich, wie mich das schwanger doch viel mehr mitnimmt. Nach zehn Jahren Berlin erwartet man weder ein Sitzplatzangebot noch Hilfe beim Ein- und Aussteigen mit dem Kinderwagen, aber das war echt eine Nummer zu heftig.
Aber jetzt wo ich euch das auch noch mal erzählt habe, geht es mir schon viel besser.
Tagebuchschreiben wird ja auch nicht umsonst als Therapie eingesetzt. Aber keine Angst, ich nutze das jetzt nicht aus. Denn meistens genieße ich das Leben, meine Schwangerschaft und die vielen kleinen und großen Überraschungsmomente, die einem das Leben mit Kindern so bietet. Ich wünsche allen eine schöne Woche und zieht Euch warm an. Es sind bis zu minus 15 Grad angesagt...
Anja