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Kleider machen Kinder - Baby-Tagebücher von Tanja aus Vöhringen, München und Shenyang

Hautnah. Intensiv. Liebenswert. Folgt hier den Babytagebuch-Bloger:innen und erlebt regelmäßig, wenn frischgebackene Mütter und Väter ihr Leben mit euch teilen. Jede Woche lassen sie euch an ihrer neuen Lebenszeit mit Baby teilhaben und geben ganz persönliche Einblicke: Was hat der Sprössling diese Woche Tolles gelernt? Wie geht es den jungen Eltern mit dem kleinen Knirps? Welche Herausforderungen begegnen den Neu-Mamas und Neu-Papas mit ihrem Neugeborenen? In den Baby-Tagebüchern seid ihr live dabei, von ersten Arztbesuchen bis zu holprigen Gehversuchen. Ob liebenswert chaotisch oder rührend besinnlich: Immer erhaltet ihr einen unverfälschten, authentischen und persönlichen Einblick in das aufregende Leben einer Jungfamilie.

21. Woche

Kleider machen Kinder

Von Pinguinküssen, wie Mode kleine Leute macht - auch Sternenkinder

Von Pinguinküssen und wie Kleider kleine Leute ausmachen

Aktuell lesen meine Kids in der Früh immer selbst (Foto), weil sie halbe Stunde früher aufwachen. Ich bringe dann die Jüngste aus ihrer Wiege bei uns in das Geschwisterbett rüber und mache mich fertig. Die Große liest am liebsten der Kleinsten vor und die Mittlere für sich.

Ich liebe es so dazu zu kuscheln und einfach nur zu gucken, was früher das in der Stadt andere-Leute-gucken war, ist heute das eigene-Kinder-gucken. Alle werden dann richtig grantig, wenn die Mama meint, wir müssten aus dem Bett raus (und ich meine wirklich alle, einschließlich der Mama). Grantig sagen meine Kinder nicht, sie sagen „angry“.

Geschimpft wird nämlich auf Englisch (von mehreren multilingualen Freunden weiß ich, dass sich dafür Deutsch eigentlich am besten eignet, aber hey, jede wie viele Sprachen sie kann und wie sie nutzt) und untereinander sprechen die Kids auf Chinesisch. Ich finde es super cool, aus vielen Sprachen wählen zu können, nur sau doof, dass ich nicht alle Spachen meiner Kinder spreche. Ist wirklich strange, aber meine Gefühle und Gedanken dazu würde einen eigenen Tagebucheintrag oder mehrere Einträge füllen, Stichwort: TCK, aber zurück zum grantig sein.

Wenn sie als grantig sind und keine Lust auf Kuscheln, knutschen oder gar aufstehen haben, dann geht immer mal noch der Pinguinkuss. Hab auch schon gehört, wie er „Nasi Nasi“ genannt wird, find ich nur ne gute Erklärung, was Pinguinküsse sind. Ich habe den Namen aus dem Liebesfilm „Der Glücksbringer.“ Die tollpatschige Zoowärterin (Jessica Alba) erklärt ihrem Love Interest, dass sich Pinguine mit dem Schnabel („Nase“) küssen und für immer zusammenbleiben.

Was wir an Pinguinküssen darüber hinaus genial finden, ist, die wirken auch bei der Jüngsten.

Aktuell will die kleine nur bei der Mama oder chinesischen Oma, maximal noch bei ihrer großen Schwester sein, ansonsten schreit sie. Doch mit Pinguinküssen können wir sie nicht beruhigen, aber was viel besseres, wir können sie zum Goofbabygluckslachen bringen. Es klingt einfach so ulkig, wenn ein Baby aus dem Herzen heraus einen Lachanfall bekommt und sich gar nicht mehr einkriegt. Dieses Glucksen von Goofy mit diesem Hihihihihi und das aus einem Hals heraus, der gerade fürs Leben eingelacht wird. So so schön.

Und alle anderen müssen dann auch Lachen und dann ist auch keine mehr grantig oder angry, sondern wir ziehen uns an. Und das ist aktuell mein größtes Leid. Also nicht für die Kids und auch nicht wirklich, sondern einfach nur für mein Gefühl, für die Nostalgie, für die Gewohnheit, ich weiß nicht was die Tränen produziert, aber sie fließen.

Die Jüngste ist jetzt schon aus zwei Größen draußen und trägt 62. Das heißt jetzt liegt hier ein Berg von Kleidung und ich weiß nicht, was ich damit machen soll. Klar, kann ich es zur Spende geben und davor noch fotografieren, das ist mein übliches Vorgehen, wenn ich mich von Dingen nicht trennen kann, fotografieren. Klar, als ob ich die Fotos im „memory“-Ordner je anschauen würde, aber ich könnte. Das allein macht noch nicht den Unterschied, aber die Spende, zumindest die Vorstellung, die ich davon habe – eine andere erfreut sich daran oder es nutzt ihr zumindest. Bei dieser Kleidung ist das Gefühl aber anders.

Kleidungsexkurs: Mir war Kleidung schon immer wichtig. Ganz früher, als ich Miss Sixty Hosen und die Superstars oder Vans und 58 Hosen trug, da war es die Frage „Was gibt es so und was tragen die anderen?“, bissle später, als ich Blazer, Bluse und Jeans oder Lederhosen (nicht die bayerischen, sondern die wannabebiker-Dinger) trug, da ging es so um die Frage „Was sieht gut aus und wer will ich sein?“ Von diesem Dialog mit der Umwelt, ging es in Klamottenfragen für mich dann über in einen Monolog, also einen Dialog mit mir selbst.

Als ich fertig war, hielt ich es nämlich wie mein feministisches Vorbild Coco Chanel „Ich bin gegen Mode die vergänglich ist.“ Alles was ich trage hat Geschichte, ich weiß wo ich mich in das Stück verliebt habe oder warum ich es an dem Ort gekauft habe, weil ich mich in die Reise verliebt habe oder wie meine löchrigen Jogginghosen und T-Shirts, die stammen von der Guilin-Reise auf der ich mich in meinen heutigen Ehemann verliebt habe.

Und trotzdem halte ich viel von Coco Chanels Erben mit dem Spruch: „Wer Jogginghosen trägt hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Also ich glaube Karl Lagerfeld einfach nicht, dass er auf der Coach mit seinem Hund keine Jogginghosen trug, ich glaube, er meinte den Satz, wie sich beim Schriftsteller Thomas Mann mit der Kleidung verhielt.

Es heißt Thomas Mann zog sich einen Anzug, Hemd und Krawatte an, um seine Bücher zu schreiben und wer seine Bücher kennt, der weiß, dass er verdammt viel am Schreibtisch gesessen haben muss. Ich hatte auch meine Kleidung, die ich in der Bank trug, die für die Schule, die für jegliche Gefühle, Momente und Ziele, was mich nicht davon abhielt auch mal mit Bergschuhen in einem Münchner Club feiern zu gehen, weil mich bis ich schwanger wurde vor dem Kleiderschrank und Spiegel, nur noch die Frage umtrieb: „Auf was habe ich Lust, was passt heute zu mir?“

Seit ich schwanger bin oder stille, hat sich mein Körper so verändert, dass es nur noch darum geht „was passt?“ im wörtlichen Sinne, funktional muss es sein. Und ich rede nicht von dem funktionalen sportlichen Kleidungsstil von Leuten, die Arc' teryx in der Großstadt tragen, sondern von „geht die Hose zu?“, „rutscht sie nach ner halben Stunde runter?“, „lässt sich überall damit Stillen?“, „muss ich Spiegel abhängen oder geht’s grad noch so?“ Mit der Rückbildung geht es jetzt langsam wieder in Richtung: „Auf was habe ich Lust?“ Aber ganz langsam, also ich rechne mit 2026, dass es wieder heißt: „Auf was habe ich Lust, was passt heute zu mir?“

Es dauert nämlich verdammt lange bei mir, weil alle Kinder darauf eingewirkt haben. Ich habe knapp 3 kg von meiner ersten Tochter, unserer Sternentochter behalten, knapp 3 kg von meinem ersten Sohn, unserem Sternensohn, knapp 2 kg von unserer ersten Tochter an der Hand und knapp 2 kg von unserer zweiten Tochter an der Hand und überraschenderweise schon jetzt keinen kg von unserer Jüngsten.

Mich interessiert meine eigene Kleidung auch nur noch bedingt, die meiner Kids finde ich so viel spannender, von meiner Großen und Mittleren, ich könnte mindestens zwei Tagebucheinträge damit füllen, aber zu kleinen Klamotten meiner Jüngsten bedrücken mich. Wenn ich den Haufen anschaue, denke ich mir, bei dieser Kleidung geht es einfach darum:

„Wie kann ich dich beschützen?“

Wem diese Kleidergröße passt, der braucht Schutz. Dieser Begriff „lebensfägig“ ab der 23. Schwangerschaftwoche bedeutet lediglich, dass die Medizin mit der Technologie in der Lage ist, dieses Geschöpft am Leben zu erhalten. Nicht mehr und nicht weniger.

Jedes Kind braucht Schutz. Zwei meiner Kinder habe ich diesen Schutz nur wenige Wochen geben können und hier auch nicht aktiv. „Nur“ durch meine Gebärmutter und alles drum herum und meine Fruchtblase hat ja bei unserem ersten Kind dann auch nicht mehr für den lebensnotwendigen Schutz sorgen können (in der 20. Ssw, drei Wochen später …)

Jedenfalls habe ich einige dieser Strampler schon für meine beiden Sternenkindern gehabt. Nicht selbst gekauft, sondern die trug bereits meine Patennichte. Für meine Tochter, unser erstes Sternenkind, habe ich in der Schockblockadetrauerphase direkt nach ihrem Abschied die Kleidung 2 x gewaschen 3 x zusammengelegt und 1 x für mögliche Geschwisterchen aufgeräumt.

Beim Sortieren, Aufhängen, Falten dieser Kleidung habe ich sie mir vorgestellt, habe ich so viel geweint, dass ich sie eben nochmal waschen musste oder auch wollte, weil ich hallo, ich konnte nichts tun für mein Kind und diese Kleidung, die meine Kinder nie trugen, gehörten ihnen aber halt auch schon, das war ihre Kleidung.

Und alle drei Geschwisterchen trugen nun auch diese Kleidung und es kam noch so viel mehr und Freunden und Cousinen und Cousins hinzu. Klar gibt es Babykleidung zu der ich keinen Bezug habe, die ist auch schon weg, da gibt’s auch kein Foto, keine Erinnerung, ich weiß nur, zur Spende habe ich sie gegeben, aber dieser ganze Haufen, ich zähl mal schnell …

… 35 Kleidungsstücken hat 35 Geschichten von über 5 Kindern.

Eine Geschichte ermöglicht, zu fühlen, zu schmecken, zu sehen, zu hören, von Menschen und Orten an die ich durch die Geschichte wieder hinreisen kann, also wie kann ich diese Kleidung weggeben, aber ich kann doch jetzt nicht bei jeder Kleidergröße alles behalten, klar, Foto und so, aber die Kleidung in die Hand zu nehmen und meine Tränen damit zu trocknen ist halt schon was anders.

Es sind bei weitem auch nicht nur Traurigkeitstränen, es gibt auch so viel zu Lächeln, zu Schmunzeln und hier ist auch einer zu Lachen, weil wir vom Strampler im Krankenhaus der Jüngsten die Ärmel abschneiden mussten, weil es im Winter bei Minusgraden in Nordchina, viel zu heiß im Zimmer war und wir sie in der ersten Kleidergröße nur Bodys trug, tags, wie nachts.

Jetzt warte ich mal bis meine Jüngste vom Spaziergang mit dem Opa zurück ist und geb ihr ein paar Pinguinküsse, vielleicht fällt mir dann irgendwann ein, was ich mit dieser Kleidung machen könnte, muss mal die Tante fragen, ob sie Lust hat ne Patchworkdecke zu machen. Falls sie ja sagt sehe ich jetzt schon das Gesicht meines Mannes, wenn er davon erzählt, was er davon hält, Kleidung von Deutschland nach China und wieder nach Deutschland zu bringen, wenn sie auch noch zu klein ist.

Naja.

Seid ganz lieb aus Shenyang gegrüßt und sendet eure Gedanken und Erfahrungen gerne an [email protected]

PS: Am Frühlingsanfang war unser Hochzeitstag (Foto) mit Blumenmeer. Warum 3 Blumensträuße? Mein Mann für mich, ich für ihn, wir für den Opa, weil der am Frühlingsanfang aus Deutschland bei uns in Shenyang angekommen ist. Er durfte dann direkt alleine mit der chinesischen Oma die Kids ins Bett bringen, klar, bei der Jüngsten haben wir geholfen, aber wir waren dann echt über zwei Stunden zu zweit beim Fine Dining (ums Eck ;)

Tagebuch Tanja

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In diesem Beitrag geht's um:

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