Es scheint als ginge es endlich los. Unsere Betreuerin hat angerufen und wollte uns sehen.
Als ich am Mittwoch in Mitten von gefühlten 100 Tonnen Gemüse stand, welches ich einkochen wollte, klingelte auf einmal das Telefon. Ein Blick auf die Nummer sagte mir nichts. Zunächst dachte ich „Oh Mann, wer stört denn jetzt?“.
Ich habe trotzdem abgenommen und als dann kam: Guten Tag, Frau .., hier ist Frau .. vom Jugendamt, da zog es mir fast die Füße weg. Nach dem allgemeinen Geplänkel kam sie dann schnell zum Punkt. Sie wollte meinen Mann und mich gerne sprechen, da man in einem der umliegenden Jugendämtern evt. ein Pflegekind für uns habe. Es handele sich um einen Dreijährigen. Mehr sagte sie mir nicht. Wir haben dann einen Termin für Freitag vereinbart.
Und dann stand ich da, in Mitten meines Gemüses und völlig fertig, sollte sich der Traum endlich erfüllen? Oder doch nur wieder so ein Windei? Meinem Mann konnte ich nichts erzählen, da dieser zu dem Zeitpunkt in einem Feuerwehreinsatz war und mit Freundinnen wollte ich nicht sprechen. Die einzige Freundin, mit der ich hätte reden wollen, war „natürlich“ nicht zu erreichen. Also lief ich zu Hause mehr oder weniger planlos durchs Haus und versuchte mich zumindest so weit zu konzentrieren, dass mein Gemüse in die Gläser kam.
Als mein Mann dann zwei Stunden später endlich zu Hause war, platzte es aus mir heraus. Da es schon Abend war, gingen wir essen. Wir sponnen hin und her, aber wir wussten ja auch nur das es sich um einen Dreijährigen handelt und leider nicht mehr. Aber trotzdem überlegten wir, was ist wenn…. Wer bleibt zu Hause, was benötigen wir, usw.
Wie ihr Euch vorstellen könnt, war die Zeit bis Freitag echt anstrengend, wir waren schon sehr nervös und wussten ja auch nicht, was uns erwartet. Wir waren so früh in der Stadt, dass wir sogar mit dem Auto noch eine extra Runde durch die Stadt fuhren, damit wir wenigstens nur noch 15 Minuten zu früh waren.
Unsere Sachbearbeiterin erklärte uns dann erstmal um welches Kind es ging, wie die Hintergründe sind, wie die Situation jetzt ist und wie man sich den Aufenthalt in der Pflegefamilie vorstelle. Immer wieder wurden wir gefragt, ob wir uns das vorstellen können. Während des Gespräches hatten wir beide das Gefühl, dass es passen könnte. Wir haben dann gebeten, dass Kind kennen lernen zu dürfen. Ich bin so gespannt, das könnt Ihr Euch gar nicht vorstellen.
Es handelt sich um einen dreijährigen Jungen, der derzeit in einer Pflegegruppe untergebracht ist, weil seine Mutter durch eine Suchterkrankung nicht in der Lage ist, ihn zu versorgen. Er soll jedoch normal entwickelt und auch in der Schwangerschaft nicht mit Suchtmitteln in Berührung gekommen sein.
Die beiden Sachbearbeiterinnen haben für den kommenden Mittwoch ein Gespräch vereinbart. Danach werden wir informiert. Als nächstes steht dann wohl ein Hausbesuch bei uns an. Wie sind sehr gespannt und nehmen gerne Daumendrücker entgegen. Und ich werde nächste Woche auch gleich von dem Termin berichten und Euch dann auch mehr von dem Jungen erzählen. Hoffentlich passt die "Chemie" dann auch noch zwischen dem Jungen und uns.
Aber ich wollte ja noch berichten, warum wir uns gegen eine künstliche Befruchtung für ein Pflege-/oder Adoptivkind entschieden haben.
Wir wollten schon immer Kinder, aber nachdem das nicht klappte und uns klar wurde, dass wir einen anderen Weg gehen müssen, haben wir uns sehr umfangreich und an vielen Stellen informiert. Wir haben sehr viel miteinander gesprochen und immer wieder überlegt. Bei einer künstlichen Befruchtung liegt die Chance schwanger zu werden auch nur bei ca.
20%. Wir hatten einfach Angst, dass wir kein Ende finden, wenn es nicht klappt. Wir sind beide eher vom „Typ Hütchenspieler“. Und außerdem bin ich der Ansicht, dass es gerade für Frauen neben der körperlichen Belastung, die eine künstliche Befruchtung mit sich bringt, auch eine massive seelische Belastung ist. Dieser sah ich mich einfach nicht gewachsen. Dafür ist einfach die Angst zu groß, dass es trotz künstlicher Befruchtung nicht klappt. Wir haben ja nach wie vor keine Diagnose, bei uns beiden ist ja „angeblich“ alles in Ordnung. Warum ich nicht schwanger werde bzw. die Schwangerschaft nicht blieb, konnte ja nie geklärt werden. Deshalb fiel dann der Entschluss einem Kind ein Zuhause zu geben, welches keines hat. Dass man dafür so einen langen Atem haben muss, hatte ich nicht gedacht. Unser Verfahren läuft nun schon fast 2 Jahre.
Wir haben über all die Jahre nicht verhütet, wenn es noch passieren sollte, dann ist ein Kind noch willkommen. Aber nach so vielen Jahren ohne Verhütung ist der Glaube daran verloren gegangen.
Und für die, die es interessiert:
Die Schamanin war ja auch da. Sie war der Meinung, dass die Seele des vorherigen Hausbesitzers noch hinter der Haustüre saß und „das Haus gegen Kinder verteidigte“. Ich drücke es jetzt einfach mal so aus. Er habe wohl so unter seinem Sohn gelitten, dass er nur den Gedanken hatte: in diesem Haus nie wieder Kinder, das gibt „wieder“ ein Unglück!
Sie habe die Seele dazu bewegt, ihren Platz in unserem Flur zu räumen.
Ob man jetzt daran glaubt oder nicht, ist für mich auch zweitrangig. Wir geben soviel Geld für irgendwelche Dinge aus, so dass die 40 Euro, die wir dafür bezahlt haben, wirklich einen Versuch Wert waren. Vielleicht hat es ja genützt und es gibt etwas mit diesem Kind.
Um eins möchte ich Euch am Schluss dieses Berichtes noch bitten:
Es trifft mich schon sehr, wenn solch böse und blöde Kommentare unter einen meiner Berichte kommen. Ich schreibe das Tagebuch ja, weil ich anderen kinderlosen Paaren Mut machen möchte, einen anderen Weg zu gehen und ich mir immer gewünscht habe, ich könnte von den Erfahrungen anderer lesen. Jemand, der nie in so einer Situation war, der kann nicht nachvollziehen, wie schlecht man sich fühlen kann. Ich freue mich, wenn Ihr mir Mut macht nicht aufzugeben, oder uns Tipps gebt, aber blöde Dinge müsst Ihr nicht schreiben, die dürft Ihr für Euch behalten.
Liebe Grüße,
Iris