Alltagskino, Blähungen und die eigene Körperhygiene ist Luxus
Ihr lieben Alltagskinobesucherinnen,
vorab, ich habe in der Anrede nicht gegendert, weil mich doch wahnsinnig interessiert, ob dieses Tagebuch auch Männer lesen. Wenn ja, lasst doch mal einen Kommentar da – bitte!
Jetzt soll wohl der Alltag mit Kind kommen. Vermutlich wird es sich hier so lesen wie in einer Daily Soap oder Telenovela: Immer die gleichen Themen und es ist vorauszusehen, was passieren wird - aber hey, man schaut immer weiter aufgrund des Cliffhangers. Hoffentlich lest ihr auch immer weiter und ich freue mich auf eure Kommentare.
Endlich nach dem Krankenhausaufenthalt sind wir am Mittwoch, den 25.08.2021, im Alltag und im wohligen Zuhause angekommen. Ich muss vorab sagen, dass ich in meiner Studienzeit und danach schon sehr oft für Praktika und Jobs umgezogen bin. Bielefeld, München, die Nähe von Stuttgart, Berlin, Wuppertal und Köln zählten bereits zu meinen Wohnorten. 18 Jahre wuchs ich in einem kleinen Dorf im Münsterland auf. Nach dem Abitur dachte ich dann aber, dass sich dieser Ort vorerst für mich auserzählt hat und ich bin in die Stadt gezogen, die es angeblich nicht gibt. Die Nichtexistenz einer Stadt ist das schlechteste Marketing einer Kleinstadt und alle Bielefelder hassen den Spruch: „Die Stadt gibt es doch gar nicht.“ Da ich bereits in der Schwangerschaft wusste, dass das Theaterstück Familie niemals uraufgeführt werden würde, habe ich überlegt, wo ich die beste Betreuungsunterstützung für Salome finden werde – und das steht außer Frage fest, dass das in der Heimat ist. Die Oma würde alles mit selbstloser Hingabe für Salome tun. Dem Vater war es besonders wichtig, dass in Salomes Geburtsurkunde noch der Geburtsort Köln steht. Mir war es egal, aber da ich bereits nach der Feststellung der Schwangerschaft eine Hebamme in Köln hatte und meine Frauenärztin auch da war, dachte ich, dass es gut wäre, wenn die Kleine in Köln zur Welt käme. Schließlich ist die Stadt meine Lieblingsstadt – das liegt an der Offenheit der Menschen und natürlich an der unverwechselbaren kölschen-guten-launigen Art. Architektonisch und vom Stadtbild ist die Stadt wahrlich nicht die größte Perle in Deutschland, aber die Menschen zählen und Salome ist jetzt auch eine echte Kölnerin. Natürlich wissen wir auch, dass Salome an Karneval immer ein gutes Argument fürs ausgiebige Feiern haben wird, weil sie ein echt kölsches Mädel ist.
Am Anfang habe ich das Wochenbett ein bisschen unterschätzt und dachte, dass man mit Kind noch mehr nebenbei machen könnte – zumindest E-Mails beantworten. Am Anfang ist man nur mit Wickeln (und bei Salome war jede Stunde etwas in der Windel) Stillen und Kuscheln beschäftigt. Letzteres ist kein Luxus, sondern Pflicht, denn sonst weint Salome. Aber natürlich ist Kuscheln die schönste Pflicht, die es überhaupt gibt. Bei der eigenen Körperhygiene wird gespart. Duschen und Zähneputzen müssen reichen – Rasieren und Augenbraunenzupfen sind die Königsdisziplinen der Pflege für Feiertage. Meine Hebamme sagte, dass man die ersten Wochen wirklich nur im Bett liegen sollte. Ich bin allerdings mit Salome in einem Tragetuch schon nach einer Woche ein paar Schritte am Rhein entlang gegangen in der Spätsommersonne. Es war herrlich! Ich denke, dass jede Mutter selbst am besten weiß und spürt, was ihr am meisten guttut. Beispielsweise wurde mir im Krankenhaus gesagt, dass man mit dem Baby nicht in einem Bett schlafen sollte, weil man sich versehentlich drauflegen könnte. Meine Hebamme sagte mir, dass das nicht passiert und man als Mutter eine gute Intuition habe. Zudem hat jede Hebamme ihre eigenen Tipps und Hausmittel. Da Salome starke Blähungen hat, versuche ich alles, damit es ihr besser geht. Meine Hebamme hat beispielsweise Fenchel-Anis-Kümmel-Zäpfchen empfohlen. Die Hebamme einer Freundin gab ihr Tropfen gegen Blähungen, die meine Hebamme wiederum keinem Kind verabreichen würde. Jeder macht es anders, aber letztlich entscheidet immer ihr als Mama – und das ist auch gut so. Ich kann euch sagen, dass ihr es mit dem Mamainstinkt selbst richtig macht. Die Tante von Salome ist Ärztin und hat selbst drei Kinder und sie sagte mir, dass man bei Blähungen wirklich alles probiert, damit es den Kindern wieder besser geht – aber ob alles hilft, weiß man nicht. Man will es selbst einfach glauben, dass es etwas besser geworden ist und das eigene Kind nicht mehr so leidet.
Ich möchte euch noch mitteilen, wie es sich mit den Glückwünschen zur Geburt verhält. Als ich bei meinen Eltern im Dorf war, traf ich bei einem Kinderwagenspaziergang meinen Onkel und einen Freund meines Bruders. Die erste Frage meines Onkels war, wie ist es sich mit dem Vater des Kindes verhält. Ist der existent, wurde weiter nachgefragt. Ich habe nur in einem Satz geantwortet, wo er sich gerade geographisch aufhält. Ich würde so eine Frage niemals stellen. Es reicht doch das riesige Glücksgeschenk im Wagen zu sehen. Da muss man doch nicht noch Fragen nach dem Privatleben der Eltern stellen. Zudem macht man das in einer Ehe auch nicht – man geht einfach davon aus, dass alles sehr glücklich ist. Dabei laufen viele Ehen schlecht und nur der Trauschein soll zeigen, dass alles wie im Märchen läuft. Außerdem hat mir die Agentur, für die ich arbeite, Glückwünsche gesandt. Eine Mitarbeiterin wünschte mir einen guten Start in das Modell Familie und ein anderer Arbeitskollege wünschte mir eine wunderbare Kennenlernphase zu dritt. Ich bedankte mich nur höflich und schrieb nichts darauf, dass das klassische Wunschmodell Familie bei mir nicht funktionierte.
Und als allerletztes noch in diesem Tagebuchartikel: Ich liebe kreative Arbeit. In der Schwangerschaft habe ich das Buch von Mareice Kaiser „Das Unwohlsein der modernen Mutter“ gelesen. An einer Stelle schrieb sie, dass es mehr männliche Künstler als weibliche gibt. Und den Grund nennt sie auch, wenn ich als Frau weniger Care-Arbeit leisten muss - also Haushalts- und Kindererziehungsaufgaben - bleibt mehr Zeit für Muße und Kreativität. So geht es mir derzeit auch – früher wurden kreative Poetry-Slam Texte geschrieben, für die ich mir Zeit nehmen konnte. Diese Tagebucheinträge entstehen in den Stillpausen mit milchdurchtränkten T-Shirts, wenn das kleine Wesen neben mir schläft und lautstark mit ihrer Verdauung kämpft. Eine Hand tippt diesen Artikel, die andere streichelt ihren Bauch. Bei allem läuft leise Musik, die für mich ein kreativer Punkt im Leben ist. Musik ist mir sehr wichtig. Seit meiner Kindheit und Pubertät habe ich viel Geld für CDs, Konzerte und Festivals ausgegeben. In der Schwangerschaft habe ich eine Musik-Playlist angelegt, die bei Schlafentzug immer wieder Energie schenkt. Ich werde sie euch im nächsten Artikel vorstellen. Ganz neu hinzugefügt habe ich Bosse mit dem Song ‚Vater‘. Sein neues Album ‚Sunnyside‘ erschien am 27.08.2021 - also einen Tag nach dem errechneten Entbindungstermin von Salome.
Bis dahin, genießt den Spätsommer vielleicht mit Musik und macht es wie die Sonnenblumen und dreht euch immer zur Sonne,
eure Vroni