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Abstillen – Ohne Druck das Ende der Stillzeit erleben

„Du stillst immer noch?“ oder „Du siehst schon ganz ausgezehrt aus!“ sind zwei der typischen Sätze, die sich Mütter nach einigen Monaten Stillzeit öfter anhören müssen. Wie du bei dir und deinem Kind bleibst, wie bedürfnisorientiertes und liebevolles Abstillen gelingt und welche (vermeintlichen) Gründe es geben kann, dein Kind von der Brust zu entwöhnen.

In diesem Artikel:

Meine Tochter hätte sich beinahe mit drei Monaten selbst abgestillt. Sie verweigerte die Brust, weil das Trinken aus der Flasche so viel leichter war. Denn leider musste ich zufüttern, was die Probleme der zu geringen Menge an Muttermilch noch verschärfte. Sie ist mein erstes Kind, und ich fühlte mich als frischgebackene Mama von meiner Tochter abgelehnt. Ja, vielleicht irrational, aber es fiel mir schwer, es nicht persönlich zu nehmen.

Um mich zu trösten, versuchte ich, das aller Wahrscheinlichkeit nach bevorstehende endgültige Versiegen meiner Milch mir irgendwie schmackhaft zu machen: Das sehr anstrengende Dauerstillen würde wegfallen, ich könnte wieder besser schlafen und irgendwann würde ich mich dann damit arrangieren, dass es mit dem Stillen eben nicht so klappt. Doch der Versuch, mich mit vermeintlichen Vorteilen zu beruhigen, schlug fehl.

Gott sei Dank, denke ich heute. Die Überzeugung, dass Muttermilch für mein Kind essenziell ist, saß so tief, dass ich anfing zu recherchieren, wie ich meine Tochter wieder zurück zur Brust bekommen könnte. Für uns hieß das, von da an für lange Zeit mit einem Brusternährungsset zu stillen. Diese Art der Stillhilfe ermöglicht das gleichzeitige Stillen UND Zufüttern. Damit kann das Stillen aufrechterhalten werden und in vielen Fällen hilft es auch, die Milchbildung zu steigern. Ja, es war anspruchsvoll und anstrengend, aber die Mühe hat sich für uns als Stillteam in jedem Fall gelohnt.

Beikost einführen heißt nicht abstillen

Stillberaterinnen empfehlen heute das Stillen nach Bedarf. Das heißt, dein Baby bestimmt, wann es trinken möchte und nicht die Uhr. Mit der Zeit wirst du merken, dass dein Baby sich für eure Mahlzeiten am Familientisch interessiert, es greift nach dem Essen.

Buchtipp

Langes Stillen Buch-CoverMit ihrem im Kösel-Verlag erschienenen Buch Langes Stillen – Natürlich, gesund, bedürfnisorientiert will Autorin und Zweifachmama Kathrin Burri das Langzeitstillen in unserer Gesellschaft salonfähig machen, mit Vorurteilen aufräumen, die Vorteile aufzeigen und Verständnis dafür schaffen, dass jede Stillbeziehung eben individuell ist, und in erster Linie die Angelegenheit von Mama und Kind.

Kathrin Burri, Langes Stillen – Natürlich, gesund, bedürfnisorientiert, Kösel Verlag 2020

Meist kann es dann bereits mit minimaler Unterstützung sitzen, kann kauen, schlucken und entscheiden, ob ihm etwas schmeckt und es noch mehr davon möchte. Zum Stillen nach Bedarf kommt nun die Beikost nach Bedarf (oft auch als Baby-led Weaning, kurz BLW, bezeichnet) hinzu. Die Schweizer Doula und zweifache Mutter Kathrin Burri betont in ihrem Buch „Langes Stillen – Natürlich, gesund, bedürfnisorientiert“, dass den Müttern nicht immer erklärt wird, dass es sich bei der BEI-Kost eben nicht um ERSATZ-Kost handelt.

Vielmehr ergänzen sich die beiden Ernährungsweisen. Konkret: Wenn du eine Beikost-Mahlzeit einführst, bedeutet das nicht, dass sie nun die Stillmahlzeit ersetzt oder dass das Stillen gänzlich aufhört. Deine Milch bleibt nach wie vor die Nahrungsquelle Nummer eins.

Abstillprozess: Ein Auf und Ab über lange Zeit

Wichtig zu wissen ist, dass der von deinem Baby beziehungsweise Kleinkind gesteuerte Abstillprozess ein Auf und Ab sein kann. Doch mit der Zeit werden die Abstände der Stillmahlzeiten größer. Diese Entwöhnungsphase kann sich über Monate oder auch Jahre ziehen. Du kannst darauf vertrauen, dass sich dein Baby irgendwann von selbst abstillen wird. Für dich und deine Brust ist das der einfachste Abstillprozess – kein Milchstau, keine Schmerzen – und auch seelisch kannst du dich langsam auf die „Trennung“ vorbereiten.

Wann stillen sich Kleinkinder selbst ab?

Da das Stillen ja nicht nur der Nahrungsaufnahme dient, kann es durchaus „gute Esser“ geben, die weiterhin gerne an die Brust wollen, um sich sicher und geborgen zu fühlen.

Laut Studien stillen sich Kleinkinder übrigens im Durchschnittsalter von 2,8 Jahren selbst ab. Diese Erkenntnis ist in der Wissenschaft noch nicht sehr alt und im Allgemeinwissen unserer Gesellschaft noch gar nicht angekommen. Häufig suggerieren Beikostfahrpläne ein paralleles Abstillen und damit das Ende der Stillzeit mit etwa einem Jahr. Dabei wird leider oft übersehen, dass die Muttermilch bei der Verdauung der neuen Kost hilft, weshalb du anfangs auf jeden Fall weiter stillen solltest. Wenn dein Baby aufgrund der Beikost-Mahlzeiten Verdauungsschwierigkeiten hat, lege es öfter an, um seine Verdauung zu fördern.

Stillen befriedigt Bedürfnis nach Nähe und Sicherheit

Isst dein Kind dann alle Mahlzeiten am Familientisch mit, heißt auch das nicht, dass du abstillen musst oder dein Baby dies von selbst tut. Denn das Stillen nach Bedarf befriedigt auch emotionale Bedürfnisse wie Nähe, Sicherheit und Schutz. All das gibst du deinem Kind beim Stillen mit und stärkst so das Urvertrauen und die Bindung. Unbenommen bleibt, dass das Mitessen aller Mahlzeiten am Familientisch eine Basis für das Abstillen ist.

An Regine Gresens wenden sich viele Mütter, die Stillprobleme haben oder Tipps rund ums Abstillen benötigen. Sie ist Hebamme, Still- und Laktationsberaterin (IBCLC), Berufspädagogin und Autorin sowie Heilpraktikerin für Psychotherapie mit eigener Praxis für Stillberatung in Hamburg. Ihre persönlichen Beratungen, ihre Onlinekurse, ihr sehr fundiertes Still-Wissen auf ihrer Website www.stillkinder.de sowie ihr Buch „Intuitives Stillen“ unterstützen Mütter in allen Phasen der Stillzeit und haben schon oft dazu geführt, dass diese eine neue, gute Beziehung zum Stillen entwickeln konnten. Am Anfang der Beratung steht daher die Klärung des Grundes, denn nicht immer ist ein Abstillen wirklich notwendig und auch der Wunsch der Mutter.

Hilfe in der Stillzeit: Was dir zusteht

Nach der zwölften Woche bis zum Ende der Stillzeit oder bis zum Ende des neunten Monats steht dir bei Still- und Ernährungsschwierigkeiten die Hilfe einer Hebamme zu – insgesamt achtmal. Darüber hinaus kannst du mit einer ärztlichen Verordnung diese Hilfe oder Beratung auch noch häufiger beanspruchen. In einer Studie gaben Mütter, die zwischen zwei Wochen und vier Monaten gestillt hatten, hauptsächlich Gründe für das Abstillen an, die auf Stillprobleme hindeuteten – etwa Schmerzen beim Stillen oder ein sogenannter Stillstreik des Babys.

Beides müsse, so Regine Gresens, kein Grund zum Abstillen sein. Ein sogenannter Stillstreik hat nichts mit der Milchmenge zu tun. Er kann auftreten, wenn zum Beispiel ein ungewohnter Geruch, ein lautes Geräusch, eine neue Umgebung oder

Situationsstress das Baby irritiert. Ein solcher Streik tritt eher tagsüber auf und kann sich auch über Tage ziehen. Mit viel Einfühlungsvermögen und Geduld lässt sich die Stillbeziehung meist wieder herstellen.

Abstillen – wie geht das denn nun?

Falls doch abgestillt werden muss, oder es die Mutter wirklich von sich aus möchte, rät Regine Gresens möglichst allmählich abzustillen: „Ein sehr plötzliches Abstillen ist selten notwendig und kann für Mutter und Kind traumatisierend sein. Allmähliches Abstillen gibt dem Verdauungssystem des Babys Zeit, sich an die neue Nahrung zu gewöhnen, verursache weniger körperliche Beschwerden bei der Mutter und reduziere ihr Risiko, nach dem Abstillen an einer Wochenbettdepression zu erkranken.

Beim allmählichen Abstillen ersetzt die Mutter nach und nach eine Stillmahlzeit – idealerweise als Erstes die für das Kind unwichtigste – durch altersgerechte andere Nahrung (Flaschennahrung oder Beikost). Bis zum Ersetzen der nächsten Mahlzeit sollte mindestens drei bis sieben Tage – besser länger – abgewartet werden.

Falls du in dieser Zeit vorübergehend Spannungsgefühle in den Brüsten hast, kannst du deine Brüste mit Kohlblättern, Quarkwickeln oder Kühlpacks kühlen. Notfalls kannst du auch vorsichtig etwas Milch von Hand ausstreichen, um einen Milchstau zu vermeiden. Die nächste Mahlzeit sollte erst ersetzt werden, wenn du keinerlei Spannungsgefühle mehr in den Brüsten spürst.

Abstillprozess: So kannst du ihn sanft unterstützen

Ist dein Kind schon älter, und alle Mahlzeiten sind bereits ersetzt, kannst du deinem Kind die Brust zum Beispiel nicht mehr aktiv anbieten. Das heißt, du stillst nur noch, wenn dein Kind danach verlangt. Weiterhin kannst du auch die Stilldauer beschränken. Auch nächtliches Abstillen kann dann den Abstillprozess voranbringen. 

Eines Tages wird die Stillzeit zu Ende gehen und damit endet eine sehr intensive und intime Phase zwischen dir und deinem Kind. Solange du und dein Kind diese Zeit genießen könnt, freue dich über jeden Tag, an dem du dein Kleines mit dem Besten versorgen kannst.

Gründe, warum Mütter abstillen (beziehungsweise denken, abstillen zu müssen)

1. Druck von außen

In unserer westlichen Welt herrschen einige Glaubenssätze vor, die ein längeres Stillen ins schlechte Licht rücken, es gar abwerten oder sich darüber lustig machen und damit Stillmütter verunsichern und sie unter Druck setzen ...

  • Aber spätestens, wenn du wieder arbeiten gehst, musst du doch abstillen.
  • Dein Kind wird doch so nicht mehr satt.
  • Du verwöhnst dein Kind zu sehr.
  • Das Stillen zehrt dich total aus
  • Du musst dich mal von deinem Kind lösen.
  • Denk doch mal an deinen Mann.
  • Die stillt noch, bis der Schulbus kommt.

Häufig ist es dann nicht der intrinsische Wunsch der Mutter abzustillen, sondern sie lässt sich beeinflussen und/oder hält dem gesellschaftlichen Druck von außen nicht mehr Stand.

„Stillen an sich zehrt die Mutter nicht aus. Vorausgesetzt, sie macht es sich dabei so oft wie möglich so bequem wie möglich, ernährt sich ausreichend, ausgewogen und gesund und schläft insgesamt genug“, stellt Regine Gresens klar. Druck von außen begegne man am besten mit Information über die Vorteile des Stillens oder auch dem Hinweis auf die Empfehlung der WHO.

2. Zurück im Job

Mit dem Wiedereinstieg in den Beruf wachsen die an die Mütter gestellten Ansprüche. Doch Stillzeiten oder Zeiten für das Abpumpen stehen jeder stillenden Frau im ersten Lebensjahr des Babys gesetzlich zu. Der Gesundheitsschutz von Stillenden und ihren Kindern ist an die Dauer der Stillzeit gekoppelt, was für bestimmte Berufe zu einem Beschäftigungsverbot in dieser Zeit führen kann.
Je älter das Kind, desto unproblematischer sind aber auch längere Pausen aufgrund der Arbeit. Beim Stillen nach Bedarf geht es für ältere Kinder meist nicht mehr in erster Linie um die Nahrungsaufnahme. Wenn du nach der Arbeit Zeit zum Kuscheln und Stillen hast, dann schaffst du eine gute Basis für die allmählich wachsende Selbstständigkeit deines Kindes.

Medikamente in der Schwangerschaft

Der Kopf dröhnt, die Nase tropft. Ein Griff in die Hausapotheke, und die Welt sieht gleich ganz anders aus. Wenn da nicht das ungeborene Baby wäre. Selbst bei rezeptfreien, freiverkäuflichen Schmerzmitteln ist Vorsicht geboten, denn einige können zu Komplikationen führen. Mehr dazu findest du hier!

3. Einnahme von Medikamenten

Und wie sieht es aus, wenn Mütter in der Stillzeit krank werden und Medikamente nehmen müssen? „Die unkritische Empfehlung zum Abstillen bei Erkrankungen oder Medikamentenbedarf von stillenden Müttern beruht meist auf Unsicherheit und mangelnder Information“, erklärt Regine Gresens. „Antibiotika, Schmerzmittel, Narkotika und die meisten anderen Medikamente können in der Stillzeit so gewählt werden, dass sie das Stillen nicht beeinträchtigen und ein Weiterstillen möglich ist.“

Bei manchen Erkrankungen könne aber eine vorübergehende Stillpause und das Verwerfen der abgepumpten Muttermilch und / oder eine vorübergehende Trennung von Mutter und Kind erforderlich sein. In der westlichen Welt gibt es laut Regine Gresens nur drei mütterliche Infektionserkrankungen, bei denen das Stillen absolut kontraindiziert ist und abgestillt werden muss: HIV (aber: die Gabe von pasteurisierter Muttermilch ist dann möglich), HTLV1 oder HTLV2 und eine unbehandelte aktive Tuberkulose.

4. Wunsch nach mehr Me Time

Du wünschst dir wieder mehr Selbstbestimmung, mehr Freiheiten, mehr Schlaf oder du willst wieder alles essen und trinken können? Das Bedürfnis nach mehr Selbstbestimmung muss nicht notwendigerweise zum Abstillen führen. Auch hier gilt: Je älter das Kind, desto mehr ist möglich. Stillberatrein Regine Gresens rät, sobald sich das Stillen gut eingespielt hat, weitere Bezugspersonen in die Betreuung einzubinden, dann kann die Mama auch mal einige Stunden weg. Vom Papa oder einer anderen Bezugsperson wird auch eher ein Ersatz für die Brust angenommen, Fingerfood ab Beikoststart oder eine Flasche mit Muttermilch.

Dem Schlaf der Mutter kann helfen, nachts abzustillen. Ist das Baby unter einem Jahr alt, braucht es aber ersatzweise eine Flasche. „Es gibt zwar sehr junge Babys, die von alleine nachts lange schlafen und dabei gut gedeihen, aber meistens ändert sich das im Verlauf des ersten Lebensjahres wieder“, berichtet Regine Gresens. „Die meisten Babys wachen im zweiten Lebenshalbjahr ein- bis zweimal in der Nacht auf, weil sie hungrig sind und eine Mahlzeit benötigen. Sie empfiehlt, das ersatzlose Abstillen in der Nacht nicht vor dem ersten Geburtstag zu starten. Gerade zwischen acht und zehn Monaten, wenn die Kinder große Entwicklungssprünge machen und dadurch verunsichert sind (du merkst es zum Beispiel am Fremdeln), brauchen sie dich und deine Nähe – und das kann eben auch nachts der Fall sein. Kann dein Kind nur beim Stillen einschlafen? Dann benötigt es auch das Saugen, um in der Nacht weiterzuschlafen bzw. wieder einzuschlafen.

5. Erneute Schwangerschaft

Dass das Stillen eines älteren Kindes während einer Schwangerschaft für die Beteiligten ungefährlich ist, wurde inzwischen in Studien bestätigt. Somit muss auch eine neue Schwangerschaft kein Grund für die Mutter sein, abzustillen. Ihr Körper versorgt mit Vorrang den Fötus und wird die Milch für das ältere Kind reduzieren. Einige Kinder stillen sich daraufhin ab. Manchmal wird es auch für die Mutter unangenehmer, und sie ist dann diejenige, die die Stillzeit beenden möchte.