Abnehmende Kindsbewegungen, Kreißsaal, Stunden der Angst und Sekunden der Erleichterung
Moin, Moin ihr Lieben,
nachdem mich der Wasserrohrbruch in unserer Küche noch die ganze Woche begleitete, kam auch meine kleine Tochter nicht wirklich zur Ruhe. Sie drehte sich, boxte, schob, drückte, kickte und ließ mich des Nachts kaum noch ein Auge zu machen. So lag ich einige Nächte ruhelos da und dachte darüber nach, was noch alles zu tun sei und schrieb gedankliche To-Do Listen. Wann kaufen wir nochmal den Weihnachtsbaum? Der Wickeltisch ist immer noch nicht an der Wand angeschraubt! Es fehlt noch der Windelmülleimer! Was gibt es Heilig Abend zum Nachtisch? ...
Freitag, endlich ein Tag Auszeit! Mein Freund musste nicht in die Klinik und wir wollten uns mal wieder einen schönen gemeinsamen Tag gönnen. Steht ja schließlich in jedem Ratgeber: „Genießen sie noch einmal richtig die Zeit zu zweit!“. Lange ausschlafen, in unserem Lieblingscafé ausgiebig frühstücken, noch einen Kaffee mehr bestellen und quatschen, an der Trave spazieren gehen, ein Cello-Konzert und ein alkoholfreier Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt. All das haben wir auch gemacht und der Tag war wunderschön!
Aber ein mulmiges Gefühl schwankt seit dem Aufstehen mit. Schon morgens im Bett meinte ich zu meinem Verlobten: „Komisch, Sie bewegt sich gar nicht!“. Mittags (ihre zweite Lieblingszeit um wach zu sein) war auch nur Stille im Bauch. Sicherlich schläft sie nur und erholt sich von den letzten Tagen. Wir hatten schon einmal so eine Phase in der sie sich deutlich weniger bewegt hat als sonst. Kein Grund zur Panik.
Zwischendurch gab es ja einen zarten Schluckauf oder eine kleine Drehung mit ihrem süßen Hintern an meiner Bauchdecke. Sie ist also noch da! Als wir dann abends gemütlich eingekuschelt auf dem Sofa lagen, stille im Bauch! Zwischen 20-23 Uhr ist eigentlich ihre Hochphase. Da zeigt sie was sie kann und boxt, schiebt, drückt und kickt bis zur Erschöpfung. Aber nichts! Keinerlei Regung. Es folgte schütteln, pieken, aufstehen und gehen, hüpfen, erneutes rütteln und pieken von meiner Seite. Stille! Nicht einmal ein mini Stups zurück. Vielleicht ist nun doch Panik angesagt? Ich wurde langsam nervös. Mein Verlobter blieb zum Glück sehr ruhig und navigierte uns scheinbar souverän durch die Situation.
Erst einmal die Hebamme anrufen. Abnehmende Kindsbewegungen, kein Stress, genug getrunken. „Vielleicht fahrt ihr besser mal in den Kreißsaal, damit sich zumindest die Mama beruhigen kann.“
Was hörte ich daraus: „Oh Gott, wir müssen in den Kreißsaal, dem Kind geht es schlecht.“ Schon liefen die Tränen und ich sah nur noch die schlimmste Situation. Was ist, wenn wir schon zu lange gewartet haben? Wir riefen schnell ein Taxi und die Fahrt bis zum Kreißsaal kam mir endlos vor. Was ist, wenn mein Kind bereits gestorben ist? Wenn wir zu spät sind? Was wird man uns sagen? Oder kommen wir vielleicht doch unbegründet und die im Krankenhaus denken sich „Schon wieder so eine hysterische Schwangere“? In meinem Universum gab es eigentlich nur noch diese zwei Pole der absoluten Katastrophe oder der völlig überzogenen Aktion in den Kreißsaal zu fahren nur, weil mein Kind mal etwas länger schläft.
Im Kreißsaal angekommen empfing uns eine sehr nette und verständnisvolle Hebamme. Ich war anscheinend nicht die erste Schwanger die panisch vor ihrer Tür stand mit abnehmenden Kindsbewegungen. Schnell wurde ich ans CTG angeschlossen. Dumdudum---Dumdudum! Ein solider Herzschlag und für uns die Eröffnung neuer Tränenfluten. Ihr geht es gut! Sie ist noch da! Nach einer halben Stunde am CTG ging es noch für einen Ultraschall zum Arzt. Alles unauffällig, alles gut! Vermutlich brauchte sie einfach Ruhe nach den letzten Tagen. Ich wollte nun auch nur noch schlafen. All die Emotionen hatten mich viel Kraft gekostet.
In den folgenden Tagen beschäftigte mich das Erlebte noch sehr. So viele neue und unbekannte Gefühle fluteten in dieser Nacht auf mich ein. Ich war total erschöpft und wollte nur noch schlafen. So viel Sorge und Angst um unsere kleine Tochter. Mir war bis dahin gar nicht so bewusst, wie sehr ich sie bereits liebe. Meine kleine große Welt. Meine Tochter, die in mir herangewachsen ist. Was wird wohl an Gefühlen auf mich zukommen, wenn sie dann erst einmal da ist? Wenn ich Sie durch die Höhen und Tiefen ihres Lebens begleiten darf. Wie wird wohl alles sein?
All diesen Gedanken hänge ich noch etwas nach, während um mich herum der Alltag wieder angelaufen ist: Handwerker, Tannenbaumkauf, letzte Einkäufe für Weihnachten und die Beschaffung der Bohrmaschine für die Befestigung des Wickeltisches. Stand ja schließlich alles auf meiner To-Do Liste!
Nächste Woche dann mehr von unserem ersten Weihnachten als kleine „Fast-Familie“. Der Baum steht zumindest schon.
Eure Leandra
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