Ein krabbelnder Schritt in die Unabhängigkeit
Hallo ihr Lieben,
Entschuldigung für die Verspätung. Wir waren mit meinen Eltern drei Tage in Iquique, eine Stadt 300 Kilometer südlich von Arica. Dort hatte ich keine Möglichkeit zu berichten. Nun sind wir zurück und meine Eltern sind nun bereits auf der Heimreise.
Bei Carlo hat sich einiges getan.
1. Er ist endlich abgestillt. Das ist natürlich einvernehmlich geschehen. Carlo hat kein Interesse mehr gehabt und ich habe meinem Verlangen nach Bier und Wein und einem Zigarettchen nachgegeben. Zum Einschlafen verlangt er nun nicht mehr die Brust sondern meinen Bauch. Dort legt er nach seinem Fläschchen den Kopf ab und quatscht sich einige Zeit in den Schlaf. Er braucht nach wie vor Körperkontakt zum schlafen. Bei meinem Freund funktioniert das nicht. Er muss ihn nach wie vor mit der Bondolino herumschleppen.
2. Carlo krabbelt. Ein paar Tage am Strand und er hat festgestellt, dass krabbeln doch einfacher ist. Zugegeben, wir haben ihm es vorgemacht und sind immer um ihn herum gekrabbelt. Das sah als Außenstehender bestimmt lustig aus. Zwei Erwachsene, die um ihr Baby herumkrabbeln. Aber es hat scheinbar etwas gebracht. Die neue Mobilität führt auch zu diversen Stürzen auf die Nase. Er hat noch nicht begriffen, dass die Arme auch eine schützende Wirkung haben können. So ist er schon zweimal auf die Nase geknallt und hat auch etwas an der Lippe geblutet. Meine Schwiegermutter und mein Freund kriegen dann immer Panik und leiden mehr als Carlo. Sie überlegen dann immer als erstes wie das hätte verhindert werden können. Ich versuche jedes mal meinem Freund diese Überlegungen auszutreiben. Er soll lieber Trost spenden.
3. Carlo ist nun ein kleiner Spiegel. Er imitiert alles was man macht. Als wir im Bus nach Iquique saßen, ahmte er ständig das Husten eines Passagiers nach. Immer wenn er sich räusperte, räusperte sich Carlo auch und das sehr gekünstelt. Haha, ihm war es nachher sichtlich unangenehm zu husten. Auch alle anderen Geräusche und Gesten versucht er nachzuahmen. Den Tiger kann er aber nach wie vor am Besten.
4. Carlo unterscheidet sehr gut zwischen guten Menschen und Menschen mit komischer Aura. Die guten lacht er an, schaut ihnen hinterher und winkt ihnen und die komischen faucht er mit seinem Tiger WAAAAHHH an! Und wieder andere haben eine beruhigende Wirkung auf ihn. Auf dem Weg nach Iquique hatte Carlo von der Fahrerei durch die Berge Kopf- und Ohrenschmerzen und weinte sehr viel. Er packte sich immer wieder an den Kopf. Nach einer halben Stunde kam eine Frau mit Menthol und bot uns an es ihm aufzutragen. Sie massierte es auf Stirn und hinter die Ohren ein und machte drei Kreuz auf seiner Stirn (das ist hier üblich, wenn man Menthol aufträgt). Carlo wurde sofort ruhiger und schaute sie mit seinen großen Augen an. Als sie wieder ging, war er sehr ruhig und schlief fünf Minuten später ein. Die Dame hätte ich gerne als Babysitterin.
Unser Kurztrip nach Iquique war sehr schön. Es hat gut getan mal weg von der Schwiegerfamilie zu kommen und nur mit meinen Eltern unterwegs zu sein. Leider hatte mein Freund anfangs etwas schlechte Laune, weil er sich mit seiner Schwester gestritten hatte und auch mit seiner Mutter wohl noch ein paar Hühner zu rupfen hatte. Das habe ich allerdings erst hinterher erfahren. Hier ist es immer schwer herauszufinden, worum es geht, wenn sie streiten und wenn, dann verstehe ich nur die Hälfte. Meistens wären die Dramen schnell zu lösen, aber Latinos lieben Drama und schweigen sich lieber an und schmollen. Sie dramatisieren Dinge, die rational sehr schnell und einfach zu lösen wären. Aber dann wäre das Leben ja langweilig, nicht wahr? ;-) Als wir zurückkehrten eskalierte der Streit. Ich habe dann versucht ein vermittelndes Gespräch mit der Mutter zu führen, weil sie gar nicht verstand, warum alle irgendwie böse aufeinander sind. Es hat sogar etwas geholfen. Jetzt habe sich alle wieder lieb. Ich bin auf jeden Fall, um einige Erkenntnisse reicher, was das Leben als Schwiegertochter auf Besuch bedeutet und welche Gefahren es birgt. Meine kritischen Äußerungen zu bestimmten Produkten oder Theorien hier in Chile versuche ich nun ganz zu vermeiden, weil es hier noch mehr Stress auslöst. Ich habe mich dahin gehend angepasst weiße Lügen zu benutzen (Schwarze Lügen sind böse, weiße Lügen sind dazu da, um andere zu schützen). Ein Beispiel: Die Schwester hat Avent Flaschen von einer Freundin gekauft. Wir (Mein freund und ich) waren uns nicht sicher, ob das Originale sind, weil hier viel gefälschtes Zeugs vertrieben wird. Jedenfalls haben wir die Sauger und die Flaschen abgekocht. Die Sauger stinken irgendwie komisch, die Flaschen sind okay. Anfangs hätte ich diese Bedenken geäußert. Nun, aber, haben wir die Sauger einfach weggepackt und benutzen die neuen Flasche mit unseren Saugern aus Deutschland. So bin ich sicher, dass Carlo nicht an Billigzeugs saugt und ich habe mich nicht zur Buhfrau gemacht, die alles hinterfragt. Wie schnell man sich doch anpasst.
Liebe Grüße,
eure Susi
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