Ein Krankenlager, ein Hebammentermin und die Geburtserfahrungen melden sich doch nochmal aus der Vergangenheit mit einschlagendem Effekt.
Guten Morgen zusammen,
ich hoffe, Euch geht es gut. Ich bin spät dran, mal wieder. Gestern habe ich die weiße Seite einfach nur angestarrt. Eigentlich wusste ich die ganze Woche, worüber ich schreiben würde, aber dann kam das Wochenende und es war plötzlich alles rausgepustet aus dem Kopf, bzw. geschnieft.
Wir haben ein Krankenlager bei uns aktuell. Ein quietschfideles aber rotzendes Kind und einen Mann, der dem Männerschnupfen gefährlich nahekommt. Er geht sich momentan vor allem selber auf den Zeiger mit seinem Leiden. Er tut mir leid, denn er sieht wirklich aus wie das Leidens Christi. Knallrote Nase, tränende Augen, hört sich an wie unter Wasser und fühlt sich auch so. Mir läuft ebenfalls die Nase, der Kopf ist nicht komplett zu, aber schwer. Und eigentlich würde ich gerne einen auf krank machen. Aber ich hab dann doch die ein oder andere gute Eigenschaft: den „Zustandsrelativismus“, wie ich ihn nenne. Und in dieser Situation bedeutet das vor allem: wäre ich jetzt die einzige mit laufender Nase und dröhnendem Kopf, dann würde ich auf der Couch liegen und der Männerwelt zeigen, dass auch Frauen den Männerschnupfen können. Aber ich bin nicht die einzige, die heute schnupft, schnieft und nicht auf der Höhe ist. Also kommen aus ungeahnten Ecken noch Reserven, die das ausgleichen. Aktuell spielen die beiden unten Duplo. Bin ich fertig mit dem Blog, dann wird gewechselt, damit mein Mann den Schlaf der Kranken halten kann.
Trotzdem heißt es jetzt, adé für die Wochenplanung. Dabei war diese Woche eigentlich ohnehin schon vollgestopft. Den Vorgarten umgraben, Pflanzen kaufen (im Geschäft, wenn möglich, ansonsten remote), Fraktionsthemen abarbeiten und dann haben wir noch einen Termin zum Thema Geburt. So, ins Geschäft fahren ist jetzt raus, Vorgarten auch, weil krank sein und körperliche Leistung sich nicht so sonderlich gut vertragen, wenn man die Gesundheit möglichst schnell wiederherstellen will. Und die Fraktionsthemen verlagern sich mal wieder in die Abend- und Nachtstunden und die Frage ist, ist bis Donnerstag alles gut, dass ich überhaupt teilnehmen kann in Person?
Wir wollten mir unserem Schlumpf zur Kinderärztin, denn unter normalen Umständen wären wir nicht sonderlich beunruhigt: ein halbes Jahr war nun fast Ruhe im Karton – kein Fieber, kein großartiger Schnupfen. Ich glaube, wir waren noch nie so gesund über den Winter. Nun ist es aber nicht business as usual und dann steht man nun da. Die Kinderärztin aber sagte uns dann, wenn es ihm gut geht und er kein Fieber hat, würde es nichts bringen reinzukommen. Aktuell geht wirklich der normale Erkältungswahnsinn rum. Dennoch muss man sich mit Blick auf die Gesellschaft doch so verhalten als wäre es ernst. Denn 100% können wir es ja nicht ausschließen. Das ist irgendwie alles ziemlich doof.
Und dann war letzte Woche, zumindest ein großer Teil, auch ziemlich emotional geladen. Am Dienstag hatten wir unseren Hebammentermin und der war eigentlich wirklich toll. Mein Mann ist mitgekommen. Blutdruckwerte waren gut, Baby hat sich versteckt und wollte keine Herztöne preisgeben und hat sich auch gewehrt bei allem. Beim Abtasten des Bauchs, beim Prüfen des Muttermunds, eigentlich bei allem. Das war schon bemerkenswert. Und es drehte sich von Kopf nach Fuß, von rechts nach links. CTG habe ich nicht machen lassen. Tatsächlich hätte das wahrscheinlich auch wenig gebracht, außer die Repositionierung des Gerätes alle 5 Minuten. Das Thema harter Bauch, Übungswehen etc. hat sich auch diesmal wieder erledigt. Kaum spreche ich Themen an, dann scheint mein Körper zu sagen „Ah, super. Na, dann höre ich jetzt wieder auf mit dem Spökes“.
Zuletzt habe ich das Thema Geburt angesprochen, bzw. die innerliche Barriere, sich mit dieser wirklich bewusst auseinanderzusetzen. Und fragt mich was, aber irgendwie habe ich damit Pandoras Box geöffnet, von der ich gar nicht wusste, dass ich sie in der Hand halte, geschweige denn, dass ich sie überhaupt noch besitze.
Ich hätte fast losgeheult, einfach so da. Aus dem Nichts. Ich musste mich wirklich anstrengen, das nicht zu tun. Eigentlich hatte ich darauf gehofft, dass ich sage, da blockiert was, wie gehe ich daran; und sie mir sagt nach dem Motto „Dreh Dich zweimal im Kreis, mach den Sonnengruß und mach die Atemübungen aus dem Geburtsvorbereitungskurs. Wird schon.“.
Stattdessen hat sie mir eine Kollegin empfohlen, die sich mit der Bewältigung von Geburten beschäftigt. Ich hab die Kontaktdaten bekommen und als wir draußen waren, liefen mir die Tränen. Ich finde das schrecklich, wenn der Körper auf etwas reagiert, was der Kopf noch nicht ganz registriert hat. Mein Mann fragte mich natürlich, was denn sei bzw. woher das jetzt so urplötzlich kommt. Und ich stand nur heulend und schulterzuckend neben dem Auto und wusste nicht so recht, was gerade passiert. Da war was, eine undefinierbare Angst vor irgendwas, und gleichzeitig fand ich mich wahnsinnig lächerlich, was wiederum absolut kontraproduktiv ist.
Ich habe nicht direkt bei der Kollegin angerufen. Irgendwie hatte doch ein Teil gehofft, weil das Thema jetzt Raum hatte, geht es vielleicht wieder von alleine weg. Nach dem Wochenende und der Tatsache, dass unser Schlumpf aktuell zu Hause und somit im Fokus ist, fühlt sich das auch alles wieder ganz weit weg an. Aber letzte Woche, als er morgens bei der Tagesmutter war, war ich offensichtlich nicht gut genug abgelenkt. Jedes Mal, wenn ich das Telefon in die Hand nahm, um mich mal zu erkundigen, wie so was tendenziell ablaufen würde, habe ich Rotz und Wasser geheult. Mit Gefühlsausbrüchen aus dem Nichts kann ich gaaaaaaanz schlecht umgehen. Ich verfalle mir selber gegenüber wahnsinnig schnell in den „Wird schon“-Modus. „Ist ja alles gut gegangen. Mach Dir mal keinen Kopf, das wird. Du lebst, er lebt, ihr habt keine Folgeschäden. Was willst Du mehr? Bei anderen waren die Erfahrungen noch schlimmer.“
Am Freitag habe ich dann endlich angerufen, ganz kurz und nüchtern telefoniert. Am Donnerstag ist der Termin, pünktlich zum Start in das dritte Trimester. Mein Mann kommt mit, denn irgendjemand muss erzählen, was war und bei mir wäre es aus zweiter Hand. Ich bin unruhig und gespannt und nervös und hab auch ein wenig Angst. Angst davor, Dinge verbalisieren zu müssen, die man noch nicht mal gerne denkt; sich einzugestehen, welche Gedanken einem im Kopf rumschwirren und welche aber auch nicht. Sich der Frage stellen zu müssen, was das über sich selbst aussagt als Mensch.
Uff, ich muss mal gerade wieder aus diesen Abgründen und Weiten der Gefühlswelt auftauchen. Das kann, glaube ich, ganz schnell ein Fass ohne Boden werden. Vielleicht fragt sich die ein oder andere, was gibt die hier so viel Preis. Manchmal hadere ich mit mir, wie ehrlich und vor allem offen ich sein soll oder will. Aber ich schreibe das Tagebuch nicht nur für Euch ;-), sondern in erster Linie für meine Kinder. Irgendwann, wenn sie mal groß sind, wenn sie den Punkt hinter sich gelassen haben, dass Mama alles weiß und perfekt ist, wenn sie wissen, die ist auch nur ein Mensch mit Ecken und Kanten, Höhen und Tiefen, wenn sie erwachsen sind und hinter die Fassade schauen möchten, dann sollen sie das dürfen. Dann sollen sie sehen, dass manchmal auch einfache Entscheidungen schwierig sind zu fällen, dass Gedanken und Gefühle ihre eigenen Regeln haben und sich nicht an „Das macht man aber nicht!“ halten, dass Liebe nicht nur aus Bilderbuch Situationen besteht; dass ein „falscher“ Gedanke nicht den Wert einer Bindung bestimmt; eben das Liebe, Hoffnung, Träume größer sind als die Summe ihrer Teile.
Deswegen möchte ich nichts beschönigen. Nicht so schreiben, wie ich gerne wahrgenommen werden würde, sondern so wie es eben ist mit allem drum und dran. Die Wahrheit eben, auch wenn die nicht immer das tollste, schönste und beste Licht auf mich wirft.
Und auf dieser leicht philosophischen Note verabschiede ich mich für heute.
Bis nächste Woche, bleibt gesund
Philippa
- mit auffällig ruhigem Bauch gerade. Ich glaube, da wird der nächste „Angriff“ vorbereitet. ;-)
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Anke (kidsgo-Tagebuch-Betreuerin)
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