Wann schädigt eine Krebstherapie die Fruchtbarkeit?
Ob und wie sehr eine Krebstherapie die Fruchtbarkeit schädigt, kommt auf den Einzelfall an, sagt Frank Nawroth. Er ist als Professor in einem Hamburger Facharzt-Zentrum für Kinderwunsch, Pränatale
Unser Experte
Bild: privat
Prof. Dr. Frank Nawroth ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
Medizin, Endokrinologie und Osteologie tätig und Vorstand im Verein FertiPROTEKT - Netzwerk für fertilitätsprotektive Maßnahmen (siehe Infokasten).
„Die Fruchtbarkeit kann durch eine Chemotherapie oder eine Bestrahlung beeinträchtigt werden, aber auch wenn die Fortpflanzungsorgane von Krebs betroffen sind und ganz oder teilweise entfernt werden müssen“, sagt Nawroth. Es gelte aber noch mehr zu bedenken: Bei Hautkrebs etwa werde nicht mit einer Chemotherapie, sondern mit einer Immuntherapie behandelt. Diese beeinträchtige die Fruchtbarkeit zwar nicht dauerhaft. Ehe die Behandlung abgeschlossen ist, sollten Frauen aber nicht schwanger werden, das könnte dem Fötus schaden. „Und die Therapie kann oft jahrelang dauern. Deshalb würden auch hier bei einem späteren Kinderwunsch fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen sinnvoll sein“, sagt Nawroth.
Brustkrebstherapie und die Auswirkung auf die Fruchtbarkeit
Bei Brustkrebspatientinnen hingegen sei in der Chemotherapie meist der Wirkstoff Cyclophosphamid enthalten, der eine sehr schädliche Wirkung auf die Eierstöcke habe.
Hier findest du Hilfe!
Die Mediziner:innen des Vereins FertiPROTEKT e. V. widmen sich der Erforschung fertilitätserhaltender Maßnahmen.
Das Netzwerk hält aber auch medizinische Ansprechpartner:innen sowie wichtige Informationen zu Erkrankungen und Behandlungsmöglichkeiten für Krebspatient:innen bereit.
„Und selbst wenn die Eierstöcke diese Therapie gut überstanden haben, schließt sich oft eine Hormonbehandlung an, die ebenfalls einer Schwangerschaft für einen längeren Zeitraum im Wege steht“, so der Experte. Bei Männern komme eine Hormonbehandlung beim Prostatakrebs zum Einsatz und kann die Spermienproduktion stören. Diese würde sich zwar nach Therapieende normalisieren. Die Hormone müssen aber in einigen Fällen dauerhaft eingenommen werden.
Fruchtbarkeit erhalten: Beim Mann, bei der Frau
Bei den männlichen Patienten sei es jedoch meist einfach vorzusorgen, sagt Nawroth: Es sei ohne großen Aufwand möglich, gesunde Spermien einzufrieren, in einigen Fällen werde auch Hodengewebe entnommen, aus dem Spermien gewonnen werden können. Diese kann man später für eine künstliche Befruchtung mit der ICSI-Verfahren nutzen, bei dem ein einzelnes Spermium in die Eizelle gespritzt wird.
Bei Frauen kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht. Wann fertilitätserhaltende Maßnahmen ratsam seien, lasse sich pauschal nicht so einfach sagen, so Nawroth: „Es gilt immer abzuwägen, welche Therapieform geplant ist, mit welcher Dosis behandelt wird und um was für eine Patientin es sich handelt.“ Es komme unter anderem auf das Alter der Frau an und den Zustand der Eierstöcke vor der geplanten Behandlung.
Kinderwunsch-Beratungsgespräch vor Behandlungsbeginn
Vor Behandlungsbeginn sollte der Arzt die Patientin ausführlich zu ihren Möglichkeiten beraten. Nawroths Erfahrung: „Die wenigsten sprechen das Thema von selber an. Sie denken gar nicht daran, denn sie haben gerade erst die Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung bekommen.“ Ideal sei es dann, wenn bis zum Behandlungsbeginn noch genug Zeit für eine Entscheidung über fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen und deren Durchführung bleibt. „Bei Brustkrebspatientinnen etwa hat man fast immer Zeit, es vergehen meist mehrere Wochen bis zur Chemo.“
Kryokonservierung: Das Einfrieren von Eizellen
Das gängigste Verfahren ist das Einfrieren von Eizellen, man spricht hierbei auch von der sogenannten Kryokonservierung. Dabei werden die Eierstöcke durch Hormongaben stimuliert und nach etwa 10 bis 12 Tagen alle verfügbaren reifen Eizellen unter Ultraschallkontrolle durch die Scheide abgesaugt und bei minus 196°C tiefgefroren. Noch Jahre nach der Krebstherapie können sie aufgetaut und für eine künstliche Befruchtung verwendet werden.
Befruchtungszeitpunkt bei Kryokonservierung
Theoretisch wäre es auch möglich, die Eizellen vor der Kryokonservierung mit den Spermien des Partners zu befruchten. Nawroth rät seinen Patientinnen allerdings von diesem Verfahren ab, aus
Kassenleistung?
Das Einfrieren von unbefruchteten Eizellen wird bei Krebspatientinnen unter bestimmten Voraussetzungen von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt.
Die Kosten der Maßnahmen bei einer Kryokonservierung befruchteter Eizellen hingegen müssen vollständig selbst getragen werden.
mehreren Gründen. „Aus medizinischer Sicht gibt es hierbei keinen Vorteil: Die Erfolgsaussichten auf eine spätere Schwangerschaft würden dadurch nicht steigen. Und sollte das Paar einige Jahre später nicht mehr zusammensein, kann die Frau die befruchteten Eizellen ohne Einwilligung des Ex-Partner nichts mehr nutzen und hat die Chance auf eine Schwangerschaft womöglich ganz verloren.“ Nawroth verweist im Patientengespräch auch schon mal auf die Trennungsquoten.
Eierstockgewebe einfrieren – bald Kassenleistung?
Eine zweite Methode sei das Einfrieren von Eierstockgewebe. Dabei wird in einem minimal invasiven Eingriff durch die Bauchdecke bis zur Hälfte eines Eierstocks entnommen und in kleinen Stückchen eingefroren. Nach der abgeschlossenen Krebsbehandlung kann das Gewebe wieder eingesetzt werden und anwachsen „Danach können Frauen auf natürlichem Wege schwanger werden“, sagt Nawroth. Die Methode werde in Deutschland bisher noch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Das werde sich im Laufe dieses Jahres aller Voraussicht nach aber ändern. Die Erfolgsquoten für eine Schwangerschaft je Patientin lägen bei etwa 25 bis 30 Prozent.
Eierstöcke schützen: zwei Möglichkeiten
Ein weiterer möglicher Eingriff, um die Fruchtbarkeit zu erhalten, sei das Verlagern der Eierstöcke aus
Der weibliche Körper
Wie hängen Geschlechtsorgane, Zyklus und die fruchtbaren Tage miteinander zusammen?
Den eigenen Körper zu kennen – speziell die inneren Geschlechtsorgane und ihre Funktionen – ist für uns Frauen, sowohl was die Sexualität als auch Fruchtbarkeit angeht, sehr wichtig. Es gibt uns mehr Sicherheit im Umgang mit uns selbst, aber auch mit dem Partner.
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dem Becken weiter nach oben, um sie während einer Bestrahlung vor Schäden zu schützen. Er kommt dann in Frage, wenn nur eine Bestrahlung und keine oder keine schädliche Chemotherapie nötig ist. Der Eingriff werde zwar eher selten angewendet, könne aber für manche Patientinnen sinnvoll sein.
Ergänzend zu den genannten Maßnahmen könne versucht werden, die Eierstöcke während einer Chemotherapie durch Medikamente zu schützen, erklärt Nawroth. Sogenannte GnRH-Agonisten simulieren, dass eine Frau sich in den Wechseljahren befinde, was dazu führen könne, dass die Eierstöcke weniger geschädigt werden. Die Krankenkassen zahlen diese Behandlung nicht, weil ihnen die Studienlage noch nicht ausreicht.
Fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen nicht immer möglich
Nicht immer ist genug Zeit für fertilitätserhaltende Maßnahmen vor einer Krebstherapie oder Operation. In einigen Fällen wäre die für eine Kryokonservierung von Eizellen erforderliche Hormonstimulation für die Krebspatientin gefährlich. Sie könnte etwa bei Eierstockkrebs die Metastasierung fördern. „Das Entscheidende ist, die Erkrankung zu behandeln und das Therapiekonzept nicht zu gefährden. Manchmal müssen wir daher fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen auch ablehnen,“ so Nawroth.
Gute Chancen, natürlich schwanger zu werden – und auf gesunde Kinder
Auch wenn Hormonbestimmungen zeigen, dass die Fruchtbarkeit durch eine Krebsbehandlung eingeschränkt wurde, müsse sie aber nicht gänzlich verloren sein. Solange nach der Therapie Regelblutungen auftreten, liege auch noch eine Eierstockfunktion vor. Genesene Krebspatientinnen können nach einer vollständig abgeschlossenen Therapie in vielen Fällen noch versuchen, auf natürlichem Wege schwanger zu werden.
Sie brauchten dann auch keine Angst zu haben, dass das Kind nicht gesund sein könnte, sagt Nawroth: „Studien haben gezeigt, dass – wenn es mit einer Schwangerschaft klappt – Kinder ehemaliger Krebspatientinnen genauso gesund sind wie die anderer Frauen.“